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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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ihresgleichen, jede Zurückhaltung war vergessen. «Wir haben zwei Tatorte und zwei Fingerabdrücke
     von Personen, die höchstwahrscheinlich selbst Opfer sind. Und dann haben wir die Nadel in der Leiche aus Willis Dexters Grab,
     die nur darauf wartete, von uns exhumiert zu werden. Der Mörder prahlt, er führt uns an der Nase herum, um zu zeigen, wer
     die Oberhand hat. Es genügt ihm nicht, zu töten, er will
Anerkennung
. Ich stimme mit Professor Irving darin überein, dass die Morde Anzeichen eines krankhaften Narzissmus aufweisen, ich würde
     aber sagen, dass es noch weiter geht. Ich begebe mich hier in den Bereich der Psychiatrie, aber ich glaube, der Mörder weist
     alle Kennzeichen eines bösartigen Narzissten auf.»
    Tom schaute sie verständnislos an. «Sie müssen mich entschuldigen, aber ich habe keine Ahnung, was das bedeutet.»
    Jacobsen konnte nicht mehr aus der Fassung gebracht werden. «Alle Narzissten sind von sich selbst besessen, bösartige Narzissten
     aber gehen darüber hinaus. Sie haben einen krankhaften Glauben an sich selbst, leben im Gefühl der eigenen Großartigkeit,
     das Aufmerksamkeit und Bewunderung einfordert. Sie sind davon überzeugt, auf eine bestimmte Weise etwas Besonderes zu sein,
     und verlangen von ihren Mitmenschen, das anzuerkennen. Sie sind zudem Sadisten, die keinerlei Gewissen haben. Sie finden ihre
     Erfüllung nicht unbedingt im Zufügen von Schmerz, aber sie genießen es, Macht auszuüben. Und es mangelt ihnen völlig an Mitgefühl
     für jedwedes Leiden, das sie verursacht haben.»
    «Das hört sich nach einem Psychopathen an», sagte ich.
    |172| Jacobsens graue Augen wandten sich mir zu. «Nicht ganz, obwohl es einige ähnliche Wesenszüge gibt. Ein bösartiger Narzisst
     ist zu extremer Grausamkeit fähig und kann trotzdem Bewunderung und sogar Respekt für andere Menschen empfinden. Vorausgesetzt,
     das Objekt dieses Respekts besitzt das, was er als ‹angemessene› Charakteristika betrachtet – normalerweise ein gewisses Maß
     an Erfolg oder Macht. Laut Kernberg   …»
    «Ich glaube, die Fußnoten brauchen wir nicht, Diane», unterbrach Gardner sie.
    Jacobsen sah gekränkt aus, fuhr aber fort. «Was ich sagen will, ist, dass wir es meiner Meinung nach mit einem Menschen zu
     tun haben, der ständig seine Überlegenheit beweisen muss, vielleicht genauso sehr sich selbst wie uns. Er ist äußerst empfindlich
     und hat das Gefühl, dass seine Talente und wahren Werte nicht erkannt werden. Das könnte die Anstrengungen erklären, die er
     auf sich nimmt, außerdem seine Reaktion auf Professor Irvings Aussagen im Fernsehen. Wahrscheinlich hat ihn nicht allein wütend
     gemacht, öffentlich herabgesetzt zu werden, er konnte es auch nicht ertragen, dass jemand anders an seiner Stelle im Rampenlicht
     steht.»
    «Vorausgesetzt, dieser Kerl ist tatsächlich auch für Irvings Verschwinden verantwortlich», schaltete sich Gardner ein und
     warf ihr einen mahnenden Blick zu.
    «Du hörst dich an wie so ein blöder Anwalt, Dan», sagte Tom zu ihm, aber ohne Schärfe. Er starrte ins Leere und tippte sich
     abwesend mit einem Finger ans Kinn. «Was ist mit den Angestellten des Bestattungsunternehmens? Haben die alle Alibis für die
     Zeit, als Irving verschwunden ist?»
    «Das überprüfen wir gerade, aber ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von denen dahintersteckt. Bisher
     haben wir erst zwei gefunden, die zu der Zeit von Willis |173| Dexters Beerdigung dort gearbeitet haben, und die sind beide über siebzig.»
    «Und York?»
    «Er behauptet, seit fünf Uhr morgens bei der Arbeit gewesen zu sein. Und bevor du fragst, nein, es gibt niemanden, der das
     bestätigen kann», sagte Gardner und klang dabei wie jemand, der sich in eine Ecke gedrängt fühlt.
    «Was für eine Überraschung», brummte Tom. «Gibt es schon Hinweise auf diesen mysteriösen Angestellten, der angeblich bei ihm
     gearbeitet hat?»
    «Dwight Chambers? Der Sache gehen wir noch nach.»
    «Also nein.»
    Gardner seufzte. «York bleibt ein Verdächtiger. Aber wer hinter dieser Sache steckt, ist zu clever, um die ganze Aufmerksamkeit
     auf sich zu ziehen. Wir werden das gesamte Gelände von Steeple Hill durchkämmen, und morgen um diese Zeit wird es dort vor
     Presse nur so wimmeln. Yorks Firma ist so gut wie tot, egal was passiert.» Er verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, was
     er gesagt hatte. «Und das Wortspiel war unbeabsichtigt.»
    «Soweit ich gesehen habe, hätte er

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