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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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heißen
     Pfirsichkuchen mit Eiscreme, beugte sich Sam zu mir herüber.
    «Wie geht’s dir? Du scheinst nicht mehr so angespannt zu |179| sein wie beim letzten Mal, als ich dich gesehen habe», sagte sie so leise, dass die anderen sie nicht hören konnten.
    Das war in dem Restaurant gewesen, als ich dachte, ich hätte Grace Strachans Parfüm gerochen. Es schien Wochen her zu sein,
     obwohl es erst vor wenigen Tagen war. Aber seitdem war eine Menge passiert.
    «Nein, bin ich wohl auch nicht.» Ich lächelte. «Ich fühle mich ganz gut, um ehrlich zu sein.»
    Sie musterte mich einen Augenblick. «Ja, das sieht man dir an.»
    Sie drückte meinen Arm und widmete sich wieder den Gesprächen am Tisch.
    Nach dem Essen verschwanden Mary und Sam in der Küche, um Kaffee zu machen. Unsere Hilfsangebote lehnten sie ab. «Ihr wollt
     doch sowieso nur fachsimpeln, und Sam und ich haben bessere Dinge zu besprechen.»
    «Jede Wette, dass es um Babys geht», sagte Tom, nachdem sie hinausgegangen waren. Er rieb sich die Hände. «So, ich für meinen
     Teil könnte einen Bourbon vertragen. Was ist mit euch beiden? Ich suche schon die ganze Zeit nach einem Grund, um den Blanton’s
     aufzumachen.»
    «Nur einen kleinen», sagte Paul.
    «David? Oder willst du lieber einen Scotch?»
    «Bourbon ist in Ordnung, danke.»
    Tom ging zur Vitrine und holte Gläser und eine eigentümlich geformte Flasche hervor, auf deren Korken ein Jockey auf einem
     Pferd hockte. «Wir haben Eis, aber wenn ich in die Küche gehe, liest mir Mary die Leviten, weil ich trinke. Und du sagst lieber
     auch nichts, David.»
    Ich hatte gar nichts sagen wollen. Manchmal kann Abstinenz eher schaden als helfen. Tom reichte Paul und mir ein Glas und
     erhob dann seines.
    |180| «Auf euer Wohl, Gentlemen.»
    Der Bourbon war weich und schmeckte im Abgang nach gebranntem Karamell. Wir nippten daran und genossen ihn schweigend. Tom
     räusperte sich.
    «Wo ihr beide schon mal hier seid, möchte ich euch etwas sagen. Dich betrifft es eigentlich nicht, David, aber du kannst es
     ruhig auch hören.»
    Paul und ich schauten uns an. Tom starrte sinnierend in seinen Bourbon. «Wie ihr beide wisst, wollte ich zum Ende des Sommers
     meinen Ruhestand vorbereiten. Also, ich habe beschlossen, nicht so lange zu warten.»
    Paul stellte sein Glas ab. «Du machst Witze.»
    «Es wird Zeit», sagte Tom nur. «Entschuldige, dass ich es dir so plötzlich eröffne, aber   … Na ja, es ist kein Geheimnis, dass es um meine Gesundheit in letzter Zeit nicht zum Besten bestellt ist. Und ich muss auch
     an Mary denken. Ich dachte, Ende des nächsten Monats wäre der richtige Zeitpunkt. Das ist nur ein paar Wochen früher als geplant,
     außerdem ist es ja nicht so, dass das Institut ohne mich zum Stillstand kommt. Ich habe das Gefühl, dass der nächste Direktor
     ein guter sein wird.»
    Das war auf Paul gemünzt, aber es schien ihm nicht aufzufallen. «Hast du das schon jemandem erzählt?»
    «Nur Mary. Nächste Woche findet ein Institutstreffen statt. Ich hatte vor, es dann bekannt zu geben. Aber ich wollte, dass
     du es zuerst weißt.»
    Paul wirkte noch immer wie gelähmt. «Mein Gott, Tom. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.»
    «Wie wäre es mit ‹Alles Gute zum Ruhestand›?» Tom lächelte. «Es bedeutet ja nicht das Ende der Welt. Ich werde weiterhin ab
     und zu als Berater arbeiten, könnte ich mir denken. Mensch, vielleicht fange ich sogar mit Golf an. Also |181| kommt schon, zieht nicht solche Gesichter. Trinken wir noch einen.»
    Er griff nach der Flasche Blanton’s und schenkte uns nach. Ich hatte einen Kloß im Hals, aber ich wusste, dass Tom uns nicht
     rührselig sehen wollte. Ich erhob mein Glas.
    «Auf die Neuanfänge.»
    Er stieß mit mir an. «Darauf trinke ich.»
    Seine Ankündigung gab dem Rest des Abends einen bittersüßen Beigeschmack. Mary strahlte, als sie mit Sam zurückkehrte, doch
     ihre Augen glänzten vor Tränen. Sam versuchte gar nicht erst, ihre zu verbergen, und drückte Tom so fest an sich, dass er
     sich über ihren schwangeren Bauch beugen musste.
    «Schön für dich», erklärte sie und rieb sich die Augen.
    Tom lächelte breit und erzählte von den Plänen, die er und Mary hatten, wobei er die ganze Zeit die Hand seiner Frau drückte.
     Doch über allem lag eine Traurigkeit, die auch die feierliche Stimmung nicht verschleiern konnte. Mit seiner Pensionierung
     trat Tom nicht nur von einem Posten ab.
    Sie bedeutete das Ende einer Ära.
    Ich freute mich

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