Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
beauftragt?»
    Die Frage kam wie aus dem Nichts, doch ich wusste, dass ich recht hatte, als sie wegschaute. Zwar nur für eine Sekunde, aber
     das genügte.
    «Mein Gott, was soll das? Überprüfen Sie mich? Glauben Sie, ich bin ein Sicherheitsrisiko?»
    |254| «Natürlich nicht», sagte sie ohne Überzeugung. Sie konnte mir nicht mehr in die Augen sehen. «Dan Gardner wollte nur Ihre
     Gemütslage einschätzen, das ist alles.»
    «Meine
Gemütslage
?» Ich lachte ungläubig auf. «Ich wurde niedergestochen, meine Beziehung ist in die Brüche gegangen, einer meiner ältesten
     Freunde liegt im Krankenhaus, und jeder hier scheint davon überzeugt zu sein, dass ich inkompetent bin. Meine Gemütslage könnte
     nicht besser sein, danke.»
    Jacobsens Wangen glühten rot. «Ich entschuldige mich, wenn ich Sie beleidigt haben sollte.»
    «Ich bin nicht beleidigt, nur   …» Ich wusste nicht, was ich war. «Wo ist Gardner überhaupt? Warum ist er nicht hier?»
    «Er ist im Moment mit etwas anderem beschäftigt.»
    Ich war mir nicht sicher, was mich am meisten ärgerte: die Tatsache, dass er glaubte, ich müsste taxiert werden, oder dass
     es ihm nicht wichtig genug war, um es selbst zu tun.
    «Wozu überhaupt die ganze Mühe? Die Arbeit ist fast erledigt.»
    Die Röte wich aus Jacobsens Wangen. Sie starrte nachdenklich in ihren Kaffee und fuhr geistesabwesend mit einem Finger über
     den Rand der Tasse.
    «Die Situation in Steeple Hill hat sich verändert», sagte sie.
    Ich wartete. Sie schaute mich mit ihren grauen Augen an.
    «York ist verschwunden.»

[ Navigation ]
    |255| KAPITEL 16
    Durch die Lichter, die in jedem Fenster brannten, und die davor versammelten TB I-Fahrzeuge wirkte Yorks Haus so surreal wie eine Filmkulisse. Es lag gut versteckt hinter einer Senke im Kiefernwald auf dem Gelände
     von Steeple Hill. Wie das Bestattungsunternehmen war es ein niedriger, rechteckiger Block aus Beton und Glas, ein gescheiterter
     Versuch, den kalifornischen Modernismus der 1950er Jahre in den tiefen Süden zu verlegen. Irgendwann einmal mochte es ein
     eindrucksvolles Gebäude gewesen sein. Doch jetzt, umgeben von den düsteren Wipfeln der Kiefern, sah es nur verfallen und traurig
     aus.
    Ein wild gepflasterter Weg, dessen Platten mit Unkraut überwuchert waren, führte zur Eingangstür. Das Flatterband der Polizei,
     das ihn absperrte, verlieh dem Haus eine seltsam festliche Stimmung, obwohl dieser Eindruck schnell durch die Beamten der
     Spurensicherung zerstört wurde, die es wie Gespenster in ihren weißen Overalls durchsuchten. Auf einer Seite des Hauses führte
     eine Auffahrt über einen ungepflegten Rasen zu einer Garage. Das Tor war hochgelassen, drinnen konnte man den ölbefleckten
     Boden sehen, aber kein Auto.
    Das war mit seinem Besitzer verschwunden.
    Jacobsen hatte mich auf der Herfahrt unterrichtet. «York war in unseren Augen kein realistischer Verdächtiger für die |256| Morde, sonst hätten wir ihn schon früher verhaftet.» Es hatte geklungen, als wäre sie persönlich schuld an seiner Flucht und
     müsste sich nun rechtfertigen. «In gewisser Hinsicht passt er ins Standardprofil eines Serienmörders – entsprechendes Alter,
     ledig, ein Einzelgänger   –, und seine übersteigerte Wichtigtuerei ist ein typischer narzisstischer Wesenszug. Aber er hat keinerlei Vorstrafen, nicht
     einmal kleinere Verstöße als Jugendlicher sind bekannt. Wir konnten keine Leichen in seinem Keller finden. Abgesehen von den
     Indizienbeweisen gibt es nichts, was ihn mit den aktuellen Morden verbindet.»
    «Die Indizienbeweise erscheinen mir ziemlich stark», sagte ich.
    Es war zu dunkel im Wagen, um zu sehen, ob Jacobsen rot geworden war, aber ich war mir dessen sicher. «Nur wenn man annimmt,
     dass er absichtlich eine Spur zum Bestattungsunternehmen gelegt und sich damit selbst belastet hat. So etwas hat es schon
     gegeben, aber seine Geschichte über den Gelegenheitsarbeiter, den er angestellt hat, schien zu stimmen. Wir haben einen weiteren
     ehemaligen Angestellten gefunden, der behauptet, sich an Dwight Chambers zu erinnern. Es begann gerade so auszusehen, als
     wenn Chambers ein begründeter Verdächtiger sein könnte.»
    «Warum sollte York dann überhaupt verhaftet werden?»
    «Wenn man ihn wegen Vergehens gegen die Gesundheitsbestimmungen festgesetzt hätte, hätten wir mehr Zeit gehabt, ihn zu befragen.»
     Jacobsen wirkte verlegen. «Außerdem war man der Ansicht, dass es gewisse   … Vorteile hätte, einen

Weitere Kostenlose Bücher