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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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natürlich nicht.»
    «Warum sollte man ihn dann anrufen?»
    Jetzt kamen wir zum springenden Punkt. «Um ihn nach draußen zu locken. Ich glaube, dass Tom das nächste Opfer sein sollte.»
    Das einzige äußere Zeichen von Jacobsens Überraschung war ein kurzes Blinzeln. «Fahren Sie fort.»
    «Direkt nach dem Herzanfall wirkte Tom verwirrt. Er schien davon überzeugt zu sein, dass Mary etwas zugestoßen war. Noch im
     Krankenhaus musste man ihm ständig versichern, dass es ihr gutgeht. Seine Verwirrung wurde auf den Anfall zurückgeführt, aber
     was, wenn das gar nicht der Auslöser war? Angenommen, man hat ihn angerufen und gesagt, seine Frau hätte einen Unfall gehabt?»
    Zwischen Jacobsens Augen war wieder die kleine Falte zu sehen. «Dann wäre er sofort nach draußen gelaufen, um zu ihr zu fahren.»
    «Richtig. Wenn man einen solchen Anruf bekommt, vergisst man alles andere. Man denkt nicht mehr daran, vorsichtig zu sein
     oder nicht allein zum Auto zu gehen. Man lässt alles stehen und liegen und geht los.» Ich wusste das nur zu genau. Die Erinnerung
     an die Stimme des Polizisten, der mir |249| von dem Unfall meiner Frau und meiner Tochter berichtet hatte, verfolgte mich noch immer. «Um diese Zeit am Abend ist der
     größte Teil der Klinik ziemlich verlassen, und von dem Münztelefon, von dem der Anruf kam, hat man den Eingang des Leichenschauhauses
     gut im Blick. Wer den Anruf getätigt hat, hätte Tom beim Herauskommen genau sehen können.»
    «Warum nicht einfach warten, bis er Feierabend macht?»
    «Wenn Tom überfallen oder entführt werden sollte, konnte man nicht riskieren, dass ihn jemand beim Hinausgehen begleitet.
     Durch den Anruf konnte der Täter den geeigneten Zeitpunkt wählen und davon ausgehen, dass er allein und ungeschützt ist.»
    Jacobsen war noch nicht überzeugt. «Irgendwoher muss der Täter Dr.   Liebermans Handynummer gehabt haben.»
    «Die gibt Tom ziemlich bereitwillig heraus. Jeder kann sie von seiner Sekretärin in der Universität kriegen.»
    «Na schön, aber Dr.   Lieberman hat nicht die Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Professor Irving. Warum wurde er ausgewählt?»
    «Ich habe keine Ahnung», gab ich zu. «Aber Sie haben selbst gesagt, dass der Täter an Selbstüberschätzung leidet. Vielleicht
     hat er das Gefühl, dass ihm Schlosser und Kleinganoven nicht die Aufmerksamkeit verschaffen, die er verdient.»
    Jacobsen starrte ins Leere, während sie darüber nachdachte. Ich zwang mich dazu, meinen Blick von ihren vollen Lippen abzuwenden.
    «Möglich», räumte sie nach einer Weile ein. «Vielleicht wird er anspruchsvoller. Professor Irving könnte ihm Appetit auf prominente
     Opfer gemacht haben.»
    «Wenn Tom nicht die ganze Zeit sein Hauptziel gewesen ist.»
    |250| Mir war klar, dass ich damit einen großen Sprung machte. Jacobsen runzelte die Stirn. «Es gibt keine Beweise, die diese These
     untermauern.»
    «Ich weiß», stimmte ich ihr zu. «Aber schauen Sie sich die Taten des Mörders doch noch einmal genau an. Absichtlich beschleunigte
     Verwesung, Schweinezähne anstelle von menschlichen und Opfer mit einander offenbar widersprechenden Todesursachen. Alles Dinge,
     die einem forensischen Anthropologen Kopfzerbrechen bereiten. Jetzt sieht es so aus, als wäre Tom beinahe selbst das nächste
     Opfer geworden. Kommt Ihnen da nicht auch der Gedanke, dass der Mörder das von Anfang an geplant haben könnte?»
    Sie blieb skeptisch. «Dr.   Lieberman ist nicht der einzige forensische Anthropologe, der für das TBI arbeitet. Niemand konnte mit Sicherheit davon ausgehen,
     dass gerade er zu dieser Ermittlung herangezogen wird.»
    «Dann wollte sich der Mörder vielleicht einfach denjenigen greifen, der herangezogen wurde, was weiß ich. Aber es ist kein
     Geheimnis, dass sich das TBI normalerweise immer zuerst an Tom wendet. Oder dass er vorhatte, Ende des Jahres in Ruhestand
     zu gehen.»
Noch eher
. Ich verdrängte schnell den Gedanken an Toms und Marys zerstörte Pläne und machte weiter. «Vielleicht hat der Mörder das
     als seine letzte Gelegenheit gesehen, sich mit einem der führenden forensischen Experten des Landes zu messen. Wir wissen,
     dass er es so arrangiert hat, dass die Leiche von Terry Loomis nach Ablauf des Mietvertrages für die Hütte gefunden wird,
     und Tom war erst in der Woche davor von einer einmonatigen Reise zurückgekehrt. Das bedeutet, dass der Mörder die Hütte fast
     genau am Tag von Toms Rückkehr gemietet haben muss. Soll das nur

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