Leichenroulette - Roman
aus, mit der ich ihm die uneingeschränkte Verwaltung von zwei Dritteln meines Vermögens übertrug. Als ich bei der Beglaubigung der Unterschrift einen Personalausweis vorlegen musste, litt ich Höllenquallen. Nein, nicht wegen des Risikos! Ich schämte mich, mein wahres Alter von nunmehr stolzen fünfzig Jahren einzugestehen, es so zusagen amtlich preiszugeben. Der Freund, Börsenguru und Mann von Welt, reagierte souverän. Er nahm die zwölf Jahre, die uns trennten, kopfschüttelnd zur Kenntnis, wobei er leise zu sich selber sagte: »Das hätte ich niemals für möglich gehalten. Sie sieht viel jünger aus!« Erst später wurde mir klar, dass er meine persönlichen Daten schon lange gekannt hatte.
Im Café Dommayer, bei »Mario« oder einem netten Bummel erläuterte mir mein Berater seine raffinierte Anlagestrategie, die mich von der reichen zur noch reicheren Frau machen sollte. Ganz wie einst mit dem seligen Poldi spazierte ich durch die farbenfrohen Blumen-Parterres des Parks von Schloss Schönbrunn – nun allerdings an der Seite eines attraktiven Mannes. Das Schicksal hat es endlich gut mit mir gemeint, frohlockte ich, als wir zum Bassin des Neptun-Brunnens kamen, wo sich die Sonne im Wasser spiegelte und der von Nymphen umringte, mit dem Dreizack bewehrte Meeresgott wie einst in seinem Muschelwagen thronte. Vor fünfundzwanzig Jahren habe ich da mit Poldi Kaffee getrunken, erinnerte ich mich beim Anblick der Gloriette. Wie dumm man doch in seiner Jugend ist. Ich hab’ wirklich geglaubt, dass in dem armen Wurm das Zeug zum Bestsellerautor steckt.
Die mir seit Jahrzehnten bekannten barocken Gärten, die dichten, mit Statuen gesäumten Laubengänge, die lauschigen versteckten Rondos, die plätschernden Brunnen und künstlichen Ruinen, alles erschien mir wie verzaubert. Selbst das Gelb der Schlossfassade erstrahlte in neuem, glänzendem Licht. Dank der Beleh rungen des seligen Poldi wusste ich, dass die leuchtende Farbe auf Kaiserin Maria Theresia zurückging. Diese ließ 1752 den in Rosa und Blau gehaltenen Palast auf jenes warme »Schönbrunner Gelb« umstreichen, das international Furore machte und bis zum heutigen Tag gern verwendet wird.
Was für eine erstaunliche Frau, diese Kaiserin! Wie hatte sie sich mühelos in einer Männergesellschaft durchgesetzt, siebzehn Kinder zur Welt gebracht und ein Riesenreich beherrscht, ging mir durch den Kopf. Da sollte es mir doch möglich sein, wenigstens bescheidene Erfolge zu erringen! Wie eine adelige Dame aus einer versunkenen Epoche schritt ich an der Seite meines Kavaliers, dem, wie ich voll Befriedigung sah, sogar junge Mädchen interessierte Blicke zuwarfen, durch die langen, zu kunstvollen Dächern geschnittenen Baumreihen.
Es störte nicht, dass kichernde, stets in Gruppen auftretende japanische Touristen wie wild fotografierten, sich mit seltsam schlurfendem Gang auf den kiesbestreuten Wegen fortbewegten und manchmal zum Gruppenbild auf einer der kunstvollen Parkbänke Platz nahmen. Florian Schmid und ich entdeckten auf diesen magischen Spaziergängen viele Gemeinsamkeiten, wir diskutierten über Gott und die Welt. »Ich glaube schon, dass es einen Schöpfer gibt, der unsere Geschicke lenkt. Sonst wären wir heute nicht hier!«, gab mein Freund zu bedenken, wobei er mich bedeutungsvoll ansah. Dann erklärte er mir mit einem Anflug von Verlegenheit, dass er mit jungen Mädchen nur schlechte Erfahrungen gemacht habe. Sie seien unreif, arrogant und dumm. Sie machten ihn nervös.
Bei seiner Erzählung, wie er die Katze seiner Eltern nach einem Unfall betreut hatte, kamen mir die Tränen. Es wurde mir warm ums Herz: »Ein Autoraser hatte sie angefahren. Sie schleppte sich mit Abschürfungen, einem gebrochen Bein und einer zerbissenen Zunge nach Hause. Ich brachte sie zum Tierarzt, der sie versorgte und operierte. Danach habe ich mehrere Nächte neben dem Kisterl der Katze geschlafen.«
Wir formten eine Seelenfreundschaft, die in eine traumhafte Beziehung überging. Berührte Flo, wie ich ihn bald nannte, ganz zufällig meinen Arm, durchrieselte es mich wie elektrisiert von Kopf bis Fuß. Hörte ich seine männlich-tiefe Stimme am Telefon, schwebte ich im siebenten Himmel. Wenn von meinen Finanzen die Rede war, hörte ich nur zerstreut hin. Die geringsten Komplimente sog ich jedoch gierig auf. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich mich verliebt, litt die Qualen einer Liebenden, die ich bis dahin nur aus der Literatur gekannt hatte, und suchte diesen
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