Leichensache
dem Absatz, geht stumm zur letzten Tür. Auf dem Klingelschild kein Name. Unten im Haus knallen Türen, eine tiefe Männerstimme schreit.
Hinter der Tür eine helle Kinderstimme.
»Es ist keiner zu Hause.«
Heike blickt zur Seite, zieht die Stirn in Falten, lächelt.
»Wer wohnt denn hier, wenn einer zu Hause ist?« Kleine Pause.
»Mami.«
Heike kichert los.
»Hat Mami auch einen Namen?«
Heike öffnet halb den Mund, macht die Augen klein, kommt näher heran, flüstert. »Der sagt bestimmt nur den Vornamen.«
»Elke.« Pause. »Elke Meierhans.«
Heike lacht unterdrückt, hält sich die Hand vor den Mund, biegt den Oberkörper nach hinten.
»Und wer wohnt hier sonst noch, zusammen mit Elke?« Drinnen bleibt es still. Fünf Sekunden, zehn Sekunden.
»Ich gehe jetzt. Winnie Puh kommt.« Dumpfe, kurze Schritte entfernen sich.
»Heißer Knabe.« Sie sucht mit dem Finger auf ihrem Computerbogen, nickt. »Elke Meierhans. Und zwei Kinder, 97 und 98 geboren.« Sie zieht den Kopf wie eine Schildkröte zurück. »Ist das nicht ihr Sohn? Der heißt Lohse, beide Kinder heißen Lohse.«
»Wenn die hier allein wohnt, ist sie wahrscheinlich geschieden und hat ihren Mädchennamen angenommen. Die Söhne heißen wie der Vater.«
»Hm. Ist das immer so?«
»Ja, meistens.«
Sie klappt die Mappe zu, geht Richtung Treppe.
»Na, gut. Los, noch drei Etagen.«
23 Uhr 25
Die zwei Neonröhren im Blechkasten zeichnen eine scharfe Lichtkante an die Wände, die oberste Reihe Elba-Ordner im Aktenschrank steht im Schatten. Ulla hängt vier Polaroidfotos von Schmidt und Brokamp neben die sechs anderen an die Wand. Alle überbelichtet, aber ganz brauchbar. Sie tritt zwei Schritte zurück.
»Zwei sind relativ ähnlich.« Sie tippt mit dem Finger auf zwei Fotos.
Da hat sie Recht. Und der ganz rechts außen auch noch. Schmidt steckt sich eine an, packt einen Stuhl an der Lehne, schiebt ihn sich von vorn zwischen die Beine. Die Tür fliegt auf, Glowatzki stellt mit links zwei Plastiktüten auf den Schreibtisch, mit rechts einen Zehnercontainer.
»Die Fressalien will ich bezahlt haben, das Bier tue ich aus.«
Allgemeines Gesuche. Pommes rot, Gyros Pita, halber Hahn. Dirk von den Münsteranern nimmt eine Flasche nach der anderen, entkorkt sie mit einem Feuerzeug, gibt sie weiter. Nur Brokamp will keine. Ulla isst nichts, raucht.
»Da ich die Einzige bin, die den Mund nicht voll hat, fass ich das heute mal kurz zusammen. Also: Alle Teams haben morgen noch Wohnungen abzugrasen. Wie ihr seht, haben wir bis jetzt zehn Polaroidfotos, von denen einige ganz gut aussehen. Hier müssen wir morgen im Laufe des Tages noch eingehend die Alibis überprüfen. Außerdem habe ich Altenkamp angerufen. Der organisiert, dass morgen die Wierwich gegen Mittag hier ist. Dann müssten wir eigentlich überall …« Die Pommes frites sind labberig, das rote Salzgemisch brennt leicht unter der Zunge. »… ein weiteres Team zur Unterstützung, hauptsächlich zur Überprüfung der Alibis. Der Staatsanwalt weiß auch Bescheid. Der will schon morgen früh hier sein. Außer den Männern auf den Fotos gibt es bisher noch vierzehn weitere im relevanten Alter, die aber nicht angetroffen wurden oder völlig unähnlich sind.« Ihr Blick springt von Vermerk zu Vermerk. Zwei tiefe Lungenzüge, blättern, die Asche fällt ihr aufs Papier, wegpusten. Die anderen kauen.
»Wäre es nicht besser, die entsprechenden Teams würden die Alibis überprüfen, so aus erster Hand, meine ich. Einige Informationen gehen doch immer verloren«, Glowatzki, pult nebenbei mit der Zunge zwischen den Zähnen.
»Klar wäre das besser, aber bei vier Teams kriegen wir das nicht hin.«
»Ja, ja«, er nickt resignierend, »war ja auch nur so’ne Idee.« Er wirft das rosa Papierknäuel in Richtung Papierkorb, trifft.
Ein Auto, Dunkelheit, parkt hinter Büschen, barfuß, Stiefel in der Hand. So blöd ist der nicht.
Ulla blättert, legt Stapel aufeinander.
Auto, Dunkelheit, parkt hinter Sträuchern, Stiefel ins Treppenhaus, kein Licht, leise in die Wohnung, in Schuhen wieder runter, Müllcontainer, leises Quietschen beim Öffnen.
Ulla drückt ihre Kippe aus, lehnt sich zurück, Seufzer, ausatmen mit vollen Backen. Sieht müde aus.
»Gut so weit«, Blick auf die Uhr, »null Uhr zwanzig haben wir jetzt. Dann treffen wir uns hier morgen früh?« Sie blickt herüber.
»Früh.«
»Sechs.«
»Besser Viertel vor. Dann sind wir um sechs in den ersten Wohnungen.«
Kein Genörgel in der
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