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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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sein.« Hank fuhr sich mit der Serviette über Schnauzer und Lippen. »Profiling ist eine Kunst, keine Wissenschaft.«
    »Absolut. Und ich bin kein Profiler. Ich versuche nur, hinter die Fassade zu sehen.« Unsere Bedienung schenkte mir Tee und Hank Kaffee nach. »Wer kann das getan haben? Und warum?«
    »Glauben Sie, ich hätte mich das nicht selbst bereits eine Million Mal gefragt?«, meinte er. »Ich habe keine Ahnung. Noch nicht. Sind Sie sicher, dass Sie nichts essen wollen? Einen Nachtisch vielleicht?«
    »Nicht jetzt. Danke.«
    »Wir haben ihren Jeep vor dem Sender gefunden. Wegen der Schotterpiste und weil wir so einen komischen Juni mit kaum einem Regentropfen haben, hatten wir gehofft, ein paar Fußabdrücke oder Reifenspuren zu finden. Aber dieser fiese Sturm in der Nacht von Miss Beals Verschwinden hat alles Brauchbare weggespült. Sie sind neu in der Stadt, aber Sie dürfen mir glauben, dass solche Vorfälle nicht typisch sind für Winsworth.«
    »Was haben Sie der Familie darüber erzählt, wie sie gestorben ist?«, fragte ich.
    »Nicht viel. Mit Annie, ihrer Schwester, habe ich noch gar nicht gesprochen. Ich habe Noah erzählt, dass der Mörder ein Messer benutzt hat, das ist alles. Ich wüsste nicht, warum ich …«
    »Ganz Ihrer Meinung«, sagte ich. »Und was ist mit diesem Jones?«
    »Wie ich schon sagte, ich erzähl’s Ihnen, wenn ich mit ihm gesprochen habe.«
    Möglich. Aber ich bezweifelte das. Ich würde nur etwas im Austausch dafür erfahren, was Hank Cunningham von mir wollte. »Warum nennen Sie sie Miss Beal und nicht Laura?«
    Er errötete. »Das schafft Distanz. Schwachsinnig, ich weiß.«
    »Ich würde gern mehr über sie erfahren.«
    »Ihr gehört WWTH, einer der örtlichen Radiosender. Außerdem war sie einer der zwei glühenden Demokraten in diesem County.«
    »Und Sie sind der andere?«
    Hanks entsetzter Blick wich einem Glucksen. »Kaum. Laura ist – war – eine eigenwillige und starke junge Frau. Eine treibende Kraft in der Stadt. Verdammt widersprüchlich. Hat immer für Unruhe gesorgt. Noah hatte ihr befohlen, den Sender nicht zu kaufen, also kaufte sie ihn. Und als er für den Stadtrat kandidiert hat, hat sie sofort eine Kampagne gegen ihn angeleiert. Er hat trotzdem gewonnen. Natürlich.«
    »Die Familie stammt von hier, oder?«, fragte ich.
    »Hat den Ort quasi gegründet. Die Beals lassen sich Hunderte von Jahren zurückverfolgen. Lebten ursprünglich auf den Cranberry Isles, Fischer, die dann aufs Festland übergesiedelt sind. Noah ist Immobilienmakler, sein Geschäft ist nicht weit von hier in der Grand Street. Sehr erfolgreich. Seine andere Tochter, Annie, arbeitet für ihn, und eine nettere, warmherzigere Frau werden Sie nie finden.«
    Ich beugte mich vor. »Laura scheint eine echte Rebellin gewesen zu sein. Wie kommt das?«
    »Annie war fast erwachsen, aber Laura war erst dreizehn, als ihre Mutter mit Joe Tarbuck nach Kalifornien durchgebrannt ist. Er war Zahnarzt hier in der Stadt, kein besonders guter. Noah hat wieder geheiratet, das hat aber nicht gehalten.« Er nahm einen Schluck Kaffee. »Laura war vielleicht das schwarze Schaf in Noahs Familie, aber er hat immer zu ihr gehalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine eigene Tochter umbringt. Und dass Annie damit zu tun hat, glaube ich erst recht nicht. Irgendein Irrer muss Laura erwischt haben. Was passen würde, wenn man ihren Geschmack in Sachen Männer bedenkt, oder vielmehr den Mangel daran. Sie hat ständig Fremde in Bars aufgegabelt.«
    »Sie sagten, Sie hätte keinen Freund gehabt.«
    Seine langen Finger kratzten an dem rotbraunen Schnauzer. »Nicht im herkömmlichen Sinn. Aber gelegentlich dann doch wieder. Die Cops haben sich auf Gary Pinkham eingeschossen. Der arbeitet im Hummerfang draußen auf der Insel, hat aber Familie hier in Winsworth. Nicht gerade ein kluger Kopf, wenn man so will, aber die Art großer, stattlicher Bursche, auf den Laura stand. Und Pinkham ist abgetaucht.«
    »Ihrem Tonfall nach scheinen Sie nicht zu glauben, dass er es war.«
    Er zuckte die Achseln, sein Blick ging abwesend ins Leere. »Bei so was weiß man einfach nie. Bei anderen Leuten. Es sei denn, man schlüpft in ihre Haut. Aber der Typ ist ein Weichei. Hat weniger Rückgrat als eine Seegurke. Können Sie sich so jemanden vorstellen, wie er Laura Beal mit einem Messer aufschlitzt?«
    »Ich habe schon viele Geistesgestörte erlebt, die sich hinter einer mausgrauen Fassade verstecken. Verstehen Sie, was ich

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