Leichenschrei
hatte, zuckte ich zusammen.
»Sie lebt in der Vergangenheit, Tal.«
»Ihre Worte kamen mir vor wie giftige Säure. Alles brannte in mir. Danach konnte ich den Leuten einfach nicht mehr sagen, wer ich bin.«
Er fuhr mir mit den Fingern über den Nacken, zog mich an sich und küsste mich lange, heftig und zärtlich zugleich. Dann küsste er mich noch einmal, und meine Hände glitten um sein Gesicht und nach hinten in den Nacken. Ich hielt ihn fest, liebkoste ihn und spürte, wie sein großes Herz mich aufnahm.
Eine Ewigkeit später schlug ich die Augen auf. Ich erforschte sein ernstes, freundliches Gesicht und sah die Leidenschaft und das Verständnis in seinen Augen.
Er hatte die Verbindung noch nicht hergestellt.
»Dein Vater, Hank …« Ich seufzte. »Das mit deinem Vater tut mir so leid. Annie hat mir erzählt, dass er beim Löschen unseres Hauses ums Leben gekommen ist. Das wusste ich nicht.«
Hanks Augen verengten sich. »Und deshalb hast du mir nicht gesagt, wer du bist – weil mein Dad bei eurem Brand gestorben ist?«
»Ich dachte, du würdest es mir übel nehmen und mich hassen. Dieser Brand hat dir den Vater genommen. Mrs Lakeland verabscheut mich. Annie nicht. Aber sie hat auch ein gutes Herz. Und ihr Vater ist nicht gestorben. Hier glauben doch alle, dass mein Vater das Feuer gelegt hat.«
Zwei Finger deuteten auf seine Augen. »Sieh mich an.«
Huch. DeNiro war zurück, zumindest seine Stimme. »Das ist nicht lustig, Hank.«
»Nein, das ist totale Scheiße. Mein Dad ist bei einem Brand ums Leben gekommen, richtig. Aber in einem Lagerhaus an der Bangor Road.«
» Was? Jetzt hör aber auf. Wie konnte Annie das verwechseln?«
»Weil das Lagerhaus gleich nach eurem Haus abgebrannt ist. Er ist vom einen zum nächsten Brand gefahren. Die Zeitung hat es durcheinandergebracht, und es war nicht möglich, das im Nachhinein zu korrigieren.«
Mir war schwindelig vor Erleichterung. Richtig schwindelig. »Das muss ja eine schreckliche Zeit für dich gewesen sein. Und was ist mit Mrs Cavasos’ Geschäft? Hat sie es verloren, weil sie in das Projekt meines Vaters investiert hat?«
»Ja. Ich fürchte schon.«
»Oh.«
»Carmen macht dir bestimmt keinen Vorwurf, Tal. Komm schon. Denk doch mal vernünftig.«
Vielleicht sollte ich das.
Ein beiger Sedan hielt vor meinem Truck. »Verdammt!«
»Loony Louie.« Hank stand auf, und der Sedan fuhr weg. Er legte mir die Hände auf die Schultern. »Ich traue ihm nicht. Sei vorsichtig.«
Er beugte sich herab und löschte jeden weiteren Gedanken mit seinen Lippen aus.
Spät in dieser Nacht lehnte Hank am Kopfteil meines Bettes, während ich mit dem Finger die Narbe an seiner Schulter nachfuhr. Irgendwie war es uns gelungen, zurück zu mir zu fahren, unsere Kleider loszuwerden und nach oben in das Loft zu kommen.
»Wer hat dir denn diesen Schatz vermacht?«, fragte ich.
»Der war auf Speed und hatte leider ein Messer.«
Ich küsste die Narbe und leckte dann seinen Bauchnabel.
»Das kitzelt. Hör sofort auf, oder du kriegst Schwierigkeiten.«
Ich lächelte. »Aber hallo, Sheriff, das will ich doch stark hoffen.«
Er nahm mich beim Wort.
Während ich uns am nächsten Morgen einen Kaffee zubereitete, hing Penny sabbernd an Hank.
»Sie hat dich bereits ins Herz geschlossen.« Verdammt. Das bedeutete … Verdammt.
Hank schlang seine langen Arme um meine Taille und küsste mich in den Nacken.
»Wäre doch nett, wenn sie die Möglichkeit hätte, mich noch besser kennenzulernen.«
Ich fuhr herum, sah ihn an. »Bild dir bloß nichts ein.«
»Hab ich nicht. Hab nur gesagt, dass es nett wäre.«
»Na dann.«
»Und lass es nicht an mir aus, dass ein anderer Kerl sich bei dir mal schlecht benommen hat.«
»Wer behauptet, ein Kerl habe sich schlecht benommen?«
»Das sieht man.« Er strich mir eine Locke aus dem Gesicht. »Jetzt komm schon, Tally. Ich bin nicht dein Feind.«
Ich reichte ihm einen Kaffee. »Ich weiß doch. Manchmal reagiere ich etwas übertrieben.«
Er kicherte. »Eine leichte Untertreibung.«
Apropos … »Wer hat eigentlich Trenton Shores gebaut?«
Er kaute auf seinem Schnurrbart. »Geht’s hier um eine Art Vendetta oder so was?«
So hatte ich das noch gar nicht gesehen. »Könnte sein. Ich weiß nicht. Aber derjenige hat den Entwurf meines Vaters benutzt. Das Gleiche gilt für das Aussehen der Stadthäuser. Er hatte ein Gutachten anfertigen lassen, über die Durchsickerung. Er hat Brunnen und eine Straße anlegen lassen und sogar die
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