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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Schreibmaschine und Blätter zusammenraffte und auf dem Boden stapelte. »Ich habe eine Fortbildung in Webdesign belegt.«
    Ich lächelte. »Klingt interessant.«
    »Ist es auch. Ich würde das gerne mit meiner Arbeit als Grafikerin kombinieren und in Vollzeit machen, statt auf der Post zu arbeiten. Ich muss wegen Scooter zu Hause bleiben. Will versteht das nicht, aber …«
    Ich wartete und beendete dann das verlegene Schweigen. »Sie sind also auch ein Mac-Fan, genau wie ich.« Ich deutete mit dem Kinn auf ihren Computer.
    »Für Grafiker ist er das einzig Wahre.«
    »Hat Gary viel damit gespielt?«
    »Machen Sie Witze? Ich schwöre bei Gott, dass er Angst vor dem Ding hatte. Will und Gary haben mir diesen neuen Mac letztes Weihnachten geschenkt. Laura hat bei der Auswahl geholfen. Ich liebe ihn. Der bringt es echt.« Das Glitzern in ihren Augen erstarb. Sie seufzte, als sie sich in den Lehnstuhl mir gegenüber setzte.
    »Mama!«, drang eine Kinderstimme aus dem Babyfon am anderen Ende des Tisches.
    Joy sprang auf. »Er hat ein Schläfchen gemacht. Der arme Kleine war völlig übermüdet. Und da holt man sich schnell eine Erkältung.«
    Als sie zurückkam, saß ein blauäugiger, blonder und etwa dreijähriger Junge auf ihrer Hüfte. »Das ist Scooter.«
    »Scooter will Töpfchen, Mama. Töpfchen.«
    Joy machte auf der Stelle kehrt. »Guter Junge. Braver Junge.«
    Einige Minuten später kam sie mit zwei Diet Coke und stolz lächelnd zurück. »Er liebt sein Töpfchen. Ich gebe ihm ein paar Bücher, und dann bleibt er ewig sitzen. Er ist schon viel weiter als die anderen Kinder im Kindergarten. Er wird es nach Harvard schaffen, das weiß ich einfach.«
    »Das wäre eine großartige Zukunft«, sagte ich.
    Wir saßen uns Cola nippend gegenüber, und ich wartete.
    Joy blinzelte heftig und umklammerte die Getränkedose. »Scooter wird seinen Onkel vermissen. Er ist … war … verrückt nach ihm.«
    »Sie werden ihn alle vermissen, könnte ich mir denken.«
    »Ja.« Sie blickte nach unten und spielte an der Getränkedose herum. »Ich, äh, ich bin heute Morgen rüber in den Steinbruch gegangen. Ich wollte sehen …«
    »Wo Gary gestorben ist?«
    Sie nickte. »Dasselbe habe ich bei Laura gemacht. Ist das nicht unheimlich?«
    »Das ist gar nicht so selten. Zu sehen, wo ein Mensch gestorben ist, kann eine Art Abschluss bedeuten.«
    »Ich hab’s Will nicht erzählt. Es kam mir verrückt vor, dahin zu gehen.«
    »Das sollte es nicht.«
    Ihr Kopf ruckte hoch. »Danke.«
    »Glauben Sie, Gary hat Laura umgebracht?«
    Sie fuhr sich mit der Dose über die Stirn. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Es sieht Gary nicht ähnlich.«
    »Inwiefern?«
    »Ach, er war eher ein unbekümmerter Mensch, verstehen Sie? Ohne große Probleme oder Sorgen.« Sie hielt das Babyfon ans Ohr. »Scooter geht’s gut. Ich höre ihn summen. Nein, Gary stand gut da. Mit dem Hummerfang, meine ich. Laura hat ihn dazu gebracht, einen neuen Truck zu kaufen und Geld in eine Eigentumswohnung in den Emerald Shores zu investieren. Sie hat ihn sogar dazu überredet, sich diese Jagdhütte in der Nähe von Baxter zu kaufen, die er schon immer haben wollte.«
    »Ich verstehe, was Sie mit ›gut dastehen‹ meinen.«
    Sie lehnte sich wieder zurück. »Mit dem Hummerfang kann man eine Menge Geld machen. Gary war schon ein eigenwilliger Typ. Echt knauserig, typisch für Maine. Aber Laura hat ihn aus sich herausgeholt.«
    »War sie seine große Liebe?«
    »Nein, das war Tish. Aber er war ganz verrückt nach Laura, auch wenn er es nicht zugeben wollte.« Sie schüttelte den Kopf. »Er war zwei Jahre älter als Laura und ich, aber er kam mir vor wie mein kleiner Bruder. Manchmal hat er wirklich Bockmist gebaut. Das hat Will verrückt gemacht, aber ich habe das an ihm gemocht. Wenn wir uns gestritten haben, hat er mir danach immer Blumen gebracht.«
    »Haben Sie oft gestritten?«
    Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Garys Naturell war manchmal … Er war nicht gerade der Hellste. Ließ sich leicht entmutigen. Darum wusste ich auch, dass er und Laura nicht zusammenpassten. Sie war zu klug.«
    »Wussten Sie, dass Laura schwanger war?«
    »Ja. Das war unser großes Geheimnis. Laura wollte Kinder mehr als alles andere. Sie war, na ja, sogar ein bisschen neidisch auf Scooter. Er hat sie Tante genannt. Sie war ganz vernarrt in ihn.«
    »So. Das überrascht mich. Gary hat mir erzählt, er könne keine Kinder haben.«
    Sie grinste. »Unsinn, das ist doch Quatsch. Aber typisch

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