Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
aber doch, sie einen Spalt weit aufzudrücken und hindurchzuschlüpfen. Sorgsam zog sie das Türblatt wieder zu, denn es war ihr klar, dass eine offen stehende Tür die Wachen aufmerksam machen würde. An den Wänden hingen Fackeln in schmiedeeisernen Halterungen.
Anett nahm eine heraus und ging den Gang weiter. Eine Treppe führte in die Tiefe. Irgendwo vor ihr musste Rebekka durch die Finsternis schleichen. Hatte diese auch eine Fackel? Anett hatte keine bei ihr sehen können und es war stockfinster in den Gewölben. Es hatte auch keine der Fackeln in den Haltern gefehlt, bis sie selbst eine genommen hatte. Die Treppe führte tief hinunter in einen Gang mit feuchten Mauern und einer Reihe von Räumen, die seitlich aneinandergereiht waren. Die Räume waren alle ohne Türen und vollgestellt mit alten Möbeln und Gerümpel. Aber nirgends eine Spur von Rebekka. Das flackernde Licht der Fackel warf zitternde Schatten auf die Wände. Anett tastete sich weiter.
Der Gang führte um einige Ecken zu einer weiteren Treppe. Hier waren die Mauern aus gröberen Steinen gefügt als weiter oben. Immer tiefer führte sie ihr Weg in die Eingeweide der Festung. Anett schaute in jeden Raum, an dem sie vorbeikam, aber sie fand nur Gerümpel und Räume mit Vorräten, die hier unten kühl lagerten. Fässer voller Wein, Wildbret, Getreide. Was eine Festung wie diese als Vorrat brauchte. Anett verhielt sich so leise wie möglich und lauschte immer wieder in die Dunkelheit vor ihr. Schritte. Das musste Rebekka sein! Nur vorsichtig jetzt! Anett drückte sich an die feuchte Wand und spähte um die Ecke. Es war völlig dunkel in dem Gang vor ihr. Wie konnte das sein?
Da waren wieder die Geräusche, Schritte. Wie konnte sich Rebekka in dieser Finsternis bewegen? Anett schob sich weiter, immer an der Wand entlang. Die Fackel beleuchtete den Gang nur spärlich, aber doch so weit, dass Anett einen weiteren Treppenabgang erkennen konnte. Sie entschied sich dafür, die Treppe zu nehmen. Die Treppen bisher waren gerade hinab gelaufen, mit Absätzen, an denen die weiterführende Treppe in Gegenrichtung weiter in die Tiefe führte. Diese Treppe nun war eine Wendeltreppe, die in engen Windungen verlief. Dann flackerte die Fackel ein letztes Mal und erlosch.
Anett blieb wie erstarrt stehen und verfluchte sich und ihre Neugier. Die Fackel war abgebrannt! Aus! Sie stand allein und verloren in der Finsternis, tief in den Eingeweiden einer unbekannten Festung. Was sollte sie tun? Anett atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals hinauf. Sollte sie weiter die Treppe hinuntergehen? Weiter in unbekanntes Gebiet? Nein, dumme Idee, sie würde sich rettungslos verirren! Anett drehte sich auf dem Absatz um und legte ihre rechte Hand an die gegenüberliegende Wand. Sie setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
Ihre einzige Chance war, den gleichen Weg zurückzugehen, den sie gekommen war. Es schien endlos lange zu dauern, bis sie endlich wieder oben am Beginn der Wendeltreppe angekommen war. Die Treppe hatte auf ihrer rechten Seite gelegen, also musste sie nun links herum. Sie ertastete die gegenüberliegende Wand. Kalter Stein. Jetzt weiter! Eine Türöffnung, daran vorbei, weiter an der Mauer entlang. Anett hielt die rechte zur Seite ausgestreckt und ihre Linke grade vor sich. Weiter! Dann stießen ihre Fingerspitzen direkt vor ihr an eine Mauer aus kalten, feuchten Steinen. Hier war der Gang zu Ende. Sie machte kehrt. Sie musste den Gang zurückgehen, denn der Treppenabgang, auf dem sie heruntergekommen war, hatte auf der anderen Seite gelegen.
Eine Tür, eine Mauer, eine Tür. Waren es drei oder vier Eingänge gewesen, bis die Treppe folgte, die sie herabgekommen war? Anett fühlte, wie Panik in ihr hochkroch. Wieder eine Türöffnung. Mit dem Fuß tastete sie, ob dort eine Stufe war, aber sie fühlte nur flachen Boden. Also weiter! So ging es den ganzen weiteren Gang entlang. Aber es musste doch auf der Seite liegen! Also wieder zurück. Anett stieß gegen etwas, das oben an der Wand befestigt war, an der sie sich entlangtastete. Ein Fackelhalter. Sie konnte das kalte Eisen fühlen und darin eine Fackel. Gerettet! Hastig zog sie die Fackel aus dem Halter. Wo hatte sie ihr Feuerzeug? Die Zunderbüchse hatte sie in die Tasche ihrer Jacke gesteckt.
Mit fliegenden Fingern zog sie die metallene Dose heraus. Jetzt musste sie nur noch den Feuerstein gegen das Eisenstück in der Dose schlagen und mit den Funken den
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