Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
zu weisen. Hassan nahm den Weg an. Es war kein leichter Weg, aber er war einfach. All die Jahre hatte er Männer um sich gesammelt, die er zu Kämpfern gegen den Drachen ausgebildet hatte, die Assassinen. Er hatte sie für sich kämpfen lassen. Er hatte sie kämpfen lassen, wo er hätte kämpfen sollen. Deshalb hatte die Anderwelt ihm diese Kraft gegeben, sich in den Greif verwandeln zu können. Er hatte die Kraft, gegen den Drachen zu bestehen.
Weshalb aber hatte er dann gegen den Herrn der Walachei verloren, als er ihn angegriffen hatte? War es, weil er nicht allein gewesen war? Weil er wieder Hilfe gesucht hatte? Diese Frage hatte auch Vicus ihm nicht beantworten können. Der Waldmann hatte ihm den Weg gezeigt, aber er hatte ihm nicht sagen können, wie er ihn beschreiten sollte. Das musste Hassan selbst herausfinden. Er hatte den langen Weg zum Alamut darüber nachgedacht, aber es wollte ihm kein Plan einfallen. Dann würde er es eben darauf ankommen lassen müssen. Hassan war auf die Festung Alamut zurückgekehrt, nicht um seine Assassinen zu Hilfe zu rufen, ihm im Kampf zur Seite zu stehen. Er brauchte ihre Geschicklichkeit, damit sie ihm eine Waffe schmiedeten. Es würde eine besondere Waffe sein.
Eine, die ihm den entscheidenden Vorteil gegen den Drachen bringen würde. Vor langer Zeit hatte er einen Stein aus der Anderwelt mitgebracht. Damals hatten sie ein Schwert aus dem Stein geschmiedet, aus dem Metall des Steins, aber das Schwert war beim ersten Schlag gegen den Drachen geborsten. Hassan hatte die Bruchstücke verwahrt und wie einen Schatz gehütet. Jetzt würden seine Assassinen ihm eine neue Form geben. Die Augen des Alten vom Berge funkelten, als er die Festung betrat. Die Schmiede würden noch einige Tage brauchen, dann würde er aufbrechen und dorthin zurückkehren, wo der Drache wartete. Noch war er nicht aufgewacht, aber Hassan war sicher, dass Vlad Draculea das Untier nicht mehr lange würde beherrschen können. Und dann musste er da sein! Wer, wenn nicht er, Hassan-i-Sabbah, konnte den Drachen aufhalten?
44. Kapitel
Nostradamus legte den Griffel beiseite und reckte seine müden Glieder. Seit Stunden hatte er in seinem Laboratorium über den Pergamenten gesessen, die Rebekka auf Burg Crest gefunden hatte. Er hatte recht schnell erkannt, dass er dort nicht weit kommen würde. Ihm fehlten seine Bücher, denn diese Pergamente waren mehr als nur verschlüsselt. Sie waren ein Mysterium, das er nicht so einfach begreifen konnte, wie die Rätsel des Buches von Burg Poenari. Deshalb waren sie von Crest aufgebrochen und nach Montpellier gereist. Dort hatten sie ohnehin reisen wollen, das war von Anfang an ihr Ziel gewesen. Nostradamus trat an das kleine Fenster, aus dem er auf den Platz vor seinem Haus sehen konnte.
Sein Heim war bescheiden, verglichen mit der Festung von Vlad Draculea oder Burg Crest, aber hier war er zu Hause, hier hatte er seine Bücher, sein Labor und alles, was er brauchte, um das Geheimnis der Pergamente zu lüften. Aber er würde Zeit brauchen. Und Zeit war genau das, was sie nicht hatten. Rebekka und Freiherr von Steinborn hatten ihn nicht unter Druck gesetzt, aber das war auch nicht nötig. Er wusste es. Man nannte ihn einen Propheten und er hatte gesehen, was geschehen konnte. Der Drache würde erwachen, wenn sie Vlad nicht aufhielten. Vielleicht gab es noch andere Möglichkeiten, aber Rebekka war der Meinung, dass sie den Kriegshammer benötigten.
Nostradamus stützte sich auf dem Fensterbrett ab und grübelte darüber nach, wie er ihr helfen, wie er die Pergamente nutzbar machen konnte, als der Reiter vor seinem Haus hielt. Der Mann stieg von seinem Pferd und klopfte an seiner Haustür. Der Majordomus, Nostradamus‘ Hausmeister, öffnete ihm. Kurz darauf ritt der Mann weiter und an der Tür von Michel de Notre-Dames Labortür klopfte es. Der Majordomus reichte Nostradamus das Schreiben, das der Bote überbracht hatte. Die Botschaft war kurz und knapp. Michel ließ den Majordomus nach Rebekka und von Steinborn schicken. Der Freiherr und die Vampirin hatten Räume im Untergeschoss und es dauerte nicht lange, bis sie bei ihm im Laboratorium waren. „Michel? Ihr habt uns gerufen?“, fragte von Steinborn. „Es muss wichtig sein, so wie sich Euer Majordomus Francois aufgeführt hat.“
„Das ist es, von Steinborn, Ihr habt völlig recht. Lest selbst ...“ Er reichte von Steinborn das Schreiben, das der Bote gebracht hatte. Der Freiherr hielt das Papier so, dass auch
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