Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
zeichnete sich die Silhouette eines Reiters ab. Hassan wusste sofort, wer das war. Der Reiter auf dem schwarzen Kaltblüter war kein anderer als Vlad Draculea selbst. Er hatte seine Vampire gegen die Armee geführt, die man geschickt hatte, ihm Einhalt zu gebieten. Nun waren die Soldaten dieser Armee tot oder ebenfalls zu seinen Geschöpfen geworden. Sein Heer war nun umso größer. Er hatte die, die nicht getötet worden waren, zu Vampiren gemacht. Nun gehorchten sie ihm.
Hassan zog sich in den Schutz des Waldes zurück. Einen Moment lang überlegte er, ob er Draculea angreifen sollte. Aber das wäre ein sinnloses Unterfangen gewesen. Seine Vampire beschützten den Woiwoden. Zwar konnten sie Hassan nicht töten, aber sie würden ihn aufhalten können. Und dann hätte er dem Vampirfürsten seine Absichten verraten. Es war besser, wenn er noch nicht in Erscheinung trat. Es musste einen besseren Zeitpunkt abwarten. Und er musste Draculea allein gegenübertreten. Das bedeutete, dass niemand in der Nähe sein durfte, kein Mensch und kein Vampir. Nur er, Hassan-i-Sabbah, und Vlad Draculea.
Hassan schlich sich leise und vorsichtig weiter zum Fuß des Berges, auf dem sich die Festung erhob. Langsam bedeutete aber immer noch schneller als die Vampire oder jeder Mensch. Hier unten, am Fuß des Berges, wuchsen keine Bäume, nur hohe Büsche. Die Bäume hätten Angreifern Deckung geboten und waren schon beim Bau der Festung gefällt worden. Aber die Büsche waren gut genug, um ihn in der Nacht unsichtbar zu machen. Hassan schlich sich gebückt weiter, bis er den Weg sehen konnte, der zur Festung führte. Was er sah, gefiel ihm in keiner Weise.
Auf dem Weg schob sich eine endlos scheinende Kolonne vorwärts, Männer in den verschiedensten Uniformen und Rüstungen, aber sie hatten alle den gleichen, widerwärtigen Gestank an sich. Sie alle waren Vampire. Von Draculea geschaffene, bluttrinkende Vampire der zweiten Generation. Es mussten hunderte von seelenlosen Blutsaugern sein, die da zur Festung hochmarschierten. Draculea hatte sich eine Armee erschaffen. Hassan atmete tief durch. Wie sollte er gegen solche Massen ankommen?
Vorsichtig zog er sich tiefer ins Unterholz zurück, um nicht bemerkt zu werden. Die Vampire hatten nicht die Gefährlichkeit ihres Erschaffers, aber sie stellten eine nicht zu unterschätzende Macht dar. Hassan-i-Sabbah fluchte still in sich hinein. Vlad Draculea hatte eine Armee und er war allein. Was konnte ein Einzelner, und sei er auch noch so mächtig, gegen ein Heer von Vampiren ausrichten? Hassan bewegte sich von der Straße fort, um den Fuß des Berges herum. Auf der anderen Seite der Festung war er weit genug von den Vampiren und Vlad Draculea entfernt, um in Sicherheit zu sein. Er würde sich ein Versteck suchen und nachdenken. Es musste eine Möglichkeit geben! Die Anderwelt konnte sich nicht irren und sie hatte ihn beauftragt, dem Drachen Einhalt zu gebieten. Ihm allein!
Halef und Stabener hielten sich im Schatten und beobachteten die Vorgänge im Tal. Die Vampire waren davongeritten. Was immer Draculea auch vorhatte, er hatte seine ganze Armee in Bewegung versetzt. Nachdem die Reiter fort waren, herrschte wieder Stille, aber Halef Omar traute dem Frieden nicht. Bis zum Sonnenaufgang würde er Wache halten.
Etwas bewegte sich dort unten. Kein Vampir, sonst hätte Halefs empfindlicher Geruchssinn ihn gewarnt. Aber es war ein anderer Geruch, der ihm bekannt vorkam. Aber das konnte nicht sein! Hassan-i-Sabbah war tot! Halef drehte sich zu Stabener um. „Seht Ihr dort unten?“ Er deutete in das Tal hinunter. „Dort bewegt sich etwas. Ich werde nachsehen, was das ist … Ihr haltet hier oben die Stellung. Zur Not könntet Ihr mir zu Hilfe kommen, sollte das nötig sein.“ Stabener runzelte die Stirn. „Wenn Ihr meint, aber wohl fühle ich mich dabei nicht. Ohne Euch werde ich unser Vorhaben nicht ausführen können.“
„Keine Sorge, ich glaube nicht, dass dort unten eine Gefahr auf mich lauert. Nun ...“ Halef entblößte seine Fangzähne, was dem Schakalgesicht einen seltsamen Ausdruck verlieh. „... sicher bin ich mir nicht. Seid also auf der Hut.“ Der Schakalköpfige nickte kurz und verschwand aus der Höhle. Stabener zuckte mit den Schultern und hockte sich auf den Boden. Er konnte in der Dunkelheit kaum etwas unten am Fuß des Faragasch erkennen. Er legte sein Schwert über die gekreuzten Beine und wartete. Halef Omar bewegte sich so leise, wie möglich. Er folgte seiner Nase.
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