Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Der Geruch wurde intensiver, deutlicher. Er konnte sich nicht irren! Sein Krummschwert vor sich haltend schob er sich zwischen den Büschen hindurch. Der Schlag kam unerwartet und nur mit knapper Not konnte Halef der herabsausenden Klinge ausweichen.
Er warf sich nach hinten und entging einem zweiten Hieb. Vor ihm wuchs eine Gestalt aus der Dunkelheit, wie eine Statue aus Gold. Halef Omar hatte nicht mit einem solchen Anblick gerechnet. Trotz seines Erstaunens ging er zum Angriff über. Wohin sollte er seine Klinge lenken? Die Gestalt aus Metall bot einen fantastischen Anblick. Ein Adlerkopf wuchs aus einem menschlichen Oberkörper, der wiederum auf einem Körper saß, der der eines Pferdes sein mochte. Vier Hufe stampften auf den Boden und die Statue bewegte sich geschmeidig und schnell. In beiden Fäusten hielt die metallene Figur Krummschwerter, die wie ein Regen aus Stahl durch die Luft wirbelten. Halef konnte zwei, drei Hiebe abwehren, dann schnitt eine der Klingen in seinen Oberarm und der Schakal schrie auf.
„Halt! Bleibt, wo Ihr seid!“ Die Kämpfenden hielten beide inne und blickten zu dem Mann hinüber, der den Ruf ausgestoßen hatte. Stabener hielt die schwere Armbrust auf das metallene Wesen gerichtet. Halef Omar presste die Hand auf die blutende Wunde und stellte sich neben Stabener. „Danke, mein Freund, ich habe die Gefahr wohl unterschätzt. Gut, dass Ihr wachsam wart.“ Stabener nickte mit einem breiten Grinsen. „Das scheint mir auch so, Freund Halef. Wen haben wir denn hier?“
„Halef?“ Die Stimme kam gedämpft von dem metallenen Wesen. „Halef Omar aus Konstantinopel?“ Der Adlerkopf drehte sich zur Seite. Die metallene Statue ließ die Krummschwerter fallen und griff sich an den Schädel. Metall klickte und die Gestalt hob den Adlerhelm von den Schultern. Der Schakalköpfige knurrte überrascht. Seine Nase hatte ihn nicht getäuscht. Irritierend war nur der metallische Geruch gewesen, der sich mit dem des Trägers der kunstvollen Rüstung mischte, als die sich die Statue entpuppt hatte. „Hassan-i-Sabbah! Ihr! Ich wähnte Euch tot!“
„Tot? Sagte ich Euch nicht, ich sei nicht sterblich?“, fragte der Alte vom Berge mit gespielt strenger Stimme. „Weshalb glaubtet Ihr mir nicht?“ Er ließ seinen Helm fallen und trat näher zu den beiden Männern, die ihm gegenüberstanden. Stabener hob unwillkürlich seine Armbrust, aber Halef legte seine Hand auf den Schaft und drückte die Waffe nach unten. „Lasst! Es würde eh nichts nutzen ...“, sagte er beschwichtigend zu dem Deutschen. Stabener ließ die Armbrust sinken. „Wenn Ihr meint … es ist Euer Blut, das hier in den Sand tropft.“
„Verzeiht, Meister“, wandte sich Halef an Hassan-i-Sabbah. „Ihr lagt für Tage leblos in Eurem Blut. Was sollte ich anderes denken, als dass der Vampir Vlad Draculea Euch besiegt hatte?“ Halef neigte demütig sein Haupt. „Ich sehe nun, dass ich irrte, aber damals hatte ich einen anderen Eindruck, so wie auch Khalil, der mir half, Euch zu begraben.“ „Euch habe ich also den Sandhaufen zu verdanken, aus dem ich mich herauswühlen durfte, nachdem das Leben in mich zurückgekehrt war. Eine Freude auch, zu hören, dass mein treuer Khalil überlebt hat. Ist auch er bei Euch?“
Halef schüttelte den Kopf. „Nein, er kehrte zurück in seine Heimat. Aber vielleicht wird es Euch freuen, dass seine Umwandlung abgeschlossen war. Khalil war sehr schwer verletzt und ich wusste keine andere Lösung, als ihm von Eurem ohnehin vergossenen Blut zu trinken zu geben. Es heilte ihn und, wie ich gestehen muss, auch mich, wie Ihr sehen könnt.“ Halef löste seine Hand von der Schnittwunde, die ihm Hassans Klinge zugefügt hatte. Sie hatte schon begonnen, sich wieder zu schließen.
„Ich sehe es. Wie mir scheint, habt Ihr ein wenig zu viel von meinem Blut zu Euch genommen. Eure Verwandlung ist von Dauer? Ihr könnt Euch nicht zurückverwandeln?“ Halef hob seine Arme. „So bin ich seit jenem Tage“, sagte er ohne Bedauern. „Ich habe mich damit abgefunden. Ein Teil Eurer Kraft ist wohl auf mich übergegangen. Khalil dagegen konnte sich verwandeln, hin und zurück. Ich selbst habe gesehen, wie er es tat.“
Hassan nickte wissend. „Deshalb dauerte die Ausbildung meiner Assassinen Jahre. Ich gab ihnen nur wenig, damit ihre Körper sich an die Verwandlung gewöhnen konnten. Durch die ständige Wiederholung erinnerte sich ihr Fleisch und vergaß die alte Form nicht. Erst nach sieben Jahren und
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