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Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Titel: Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph G. Kretschmann
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sammelten Helm und Schwerter Hassans auf und folgten ihm.

59. Kapitel
    Der Rauch, der von dem Kohlebecken aufstieg, war würzig und Nostradamus atmete ihn tief ein. Der Prophet hatte sich an diesem Abend schon früh vom Hofe der Königin verabschiedet. Ein alter Mann brauche eben mehr Ruhe als ein junger, war seine Entschuldigung gewesen, als er das Fest, das die Königin gab, frühzeitig verließ. Die Wahrheit sah etwas anders aus, aber die Wahrheit ist nicht immer das Mittel der Wahl, wenn man mit einer kleinen Lüge einfacher erreichen konnte, was man wollte. Sollten ihn die Adligen ruhig für schwach und müde halten. Umso besser, wenn sie ihn unterschätzten.
    Nostradamus residierte in den großzügig eingerichteten Räumen eines kleinen Schlosses, das ihm von der Königin zur Verfügung gestellt worden war. Er hatte seine Diener zur Ruhe geschickt und sich dann in sein provisorisches Laboratorium zurückgezogen. Er hatte die Türen sorgsam verschlossen und die Fenstervorhänge zugezogen. Keinen ging es etwas an, was er tun wollte. Michel de Notre-Dame hatte in den letzten Nächten besorgniserregende Träume gehabt. Unheil kündigte sich an. Seit Anett de Facourt sich unerlaubt aus dem Staub gemacht hatte, waren die Vorahnungen von Tag zu Tag schlimmer geworden. Aber die Gefahr war nicht greifbar. Nur verschwommene Bilder zeigten sich ihm. Er musste Gewissheit haben, was sich da zusammenbraute.
    Was war mit seinen Freunden von Steinborn und Madame Rebekka? Was mit Mademoiselle de Facourt? Weshalb hatte sie sich davongemacht? Wie stand es um die Gefahr, die Vlad Draculea darstellte? Man hatte ein Heer zusammengestellt und einen erfahrenen Spanier zu dessen General ernannt, der dem Woiwoden Einhalt gebieten sollte, aber Nostradamus bezweifelte, auch ohne von seinen prophetischen Gaben Gebrauch zu machen, dass der Woiwode sich von dem Spanier würde zur Ordnung rufen lassen. Die Gerüchte von Mord und Schändung in der Walachei waren bis nach Paris gedrungen. Der Vampir war außer Kontrolle.
    Nostradamus würde sich heute Nacht in Trance versetzen und in die Anderwelt gehen. Dort wollte er nach Antworten suchen. Er hatte seine Pülverchen und Mittelchen bereitgestellt und Holzkohle in einem Becken entzündet. Auf die glühenden Kohlen tat er eine wohldosierte Menge einer Mischung von Hanf, Myrrhe, Weihrauch, Bilsenkraut und anderen Ingredienzien. Eingeatmet halfen sie ihm, den Geist vom Körper zu trennen. Nur der Geist, nur seine Seele konnte in die Anderwelt reisen. Sein Körper würde hier in der diesseitigen Welt verbleiben.
    Nostradamus atmete die Dämpfe tief und gleichmäßig ein. Langsam glitt er hinüber in die Anderwelt. So oft er auch schon hier gewesen war, nie zeigte sich die Anderwelt im gleichen Kleid, das sie beim letzten Besuch oder einem anderen getragen hatte. Sie war in immerwährender Bewegung, immer neu und sich selbst erneuernd. Aber hier würde er sehen können, was für ein Unheil sich abzeichnete. Die strahlende Dunkelheit der Anderwelt leuchtete aus sich selbst heraus und war finster und hell zugleich, unbeschreiblich und so völlig anders als die Welt der Menschen. Nostradamus forschte nach Zeichen und er fand Zeichen. Da war ein Schatten am Rand der Anderwelt, ein dunkler Wirbel aus schwarzem Dunst, in dessen Mitte er undeutliche Bewegungen ausmachen konnte. Es war gefährlich, sich dem Wirbel zu nähern, denn er saugte alles Schwache und Wankende auf, ein finsteres Loch, aus dem das Böse heraufloderte.
    „Zeige dich, wer immer du auch bist!“, befahl der Prophet dem, der in dem Wirbel war und die Antwort war ein heiseres, dunkles Lachen, das gehässig zu ihm heraufdrang. Nostradamus war stark, ein Mächtiger unter den Menschen und er kannte die Formeln und Regeln der Anderwelt wie kaum ein anderer. „Ich, Michel de Notre-Dame, genannt Nostradamus, Prophet, Magier, Wissender, befehle dir: Sage mir deinen Namen!“
    Eine donnernde Stimme antwortete. Sie war so tief, dass Nostradamus sie fast körperlich spüren konnte. „Was kümmert mich dein Name, Mensch? Ich bin Nectu sa Corbran, Herr der Finsternis, und ich unterliege nicht deinem Befehl! Geh, bevor ich dich töte!“
    Ein gewaltiges Dröhnen hob an, so gewaltig, dass Nostradamus sich die Hände auf die Ohren presste. Aber so schnell wollte er sich nicht geschlagen geben. „Du hast keine Macht über mich, auch wenn du nicht meinen Befehlen gehorchen musst!“, brüllte er gegen das Dröhnen an. Nostradamus hob seine Rechte und

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