Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
wollte der Deutsche wissen. „Habt Ihr herausgefunden, was Eure Vision bedeutet?“
„Das habe ich“ , antwortete Hassan und setzte sich zu den beiden Männern ans Feuer. „Es bedeutet, ich muss weitermachen, wie wir es geplant hatten. Nicht mehr, nicht weniger.“ Halef nickte stumm. Er vertraute dem Alten vom Berge bedingungslos, wohl auch, weil er Schuldgefühle hatte. Er war es gewesen, der den Alten, der Hassan-i-Sabbah hatte ausbluten lassen und für tot gehalten hatte. Das war ein Irrtum gewesen, den er bereute. Aber dieser Irrtum hatte aus ihm auch den Schakalköpfigen gemacht, der um so vieles mächtiger war als der Mensch Halef Omar es gewesen war.
„Hört“, sagte Hassan dann. „Ich habe nachgedacht. Ihr, Halef Omar, seid von meinem Blut, darf man sagen. Doch es ist nun einmal Tatsache, dass wir nicht wissen, ob der Geist des Drachen nicht doch in Euch fahren kann. Euch, Karl Stabener, droht diese Gefahr in jedem Fall. Ihr könnt, nein, Ihr dürft nicht hierbleiben, wenn ich mich mit Vlad Draculea anlege. Aber vielleicht könnt Ihr mir auf andere Weise helfen.“
„Sagt, was wir tun können und wir werden es tun!“, knurrte Halef. Stabener lachte trocken. „Wenn es hilft, dieses Monster zu beseitigen, dann will ich mein Bestes tun! Und wenn das Beste bedeutet, dass ich mich fernhalte, dann werde ich mich fernhalten!“
„Es gibt genug, das Ihr noch tun könnt, Karl Stabener. Halef Omar, Ihr sagtet, es gäbe Pech in Poenaris Kellern, das Ihr gegen die Vampire nutzen wolltet. Führt diesen Plan aus! Bringt die Festung zum Brennen und treibt die Vampire heraus. Dann werde ich Vlad Draculea von seinen Männern trennen. Er muss allein stehen, wenn ich gegen ihn kämpfe! Brennt Poenari nieder! Dann sucht das Weite. Entfernt Euch von hier, je weiter, desto besser, doch wenigstens drei Meilen solltet Ihr zwischen euch und diese Festung der Blutsauger bringen! Versucht, möglichst viele von diesen Untoten zu wirklichen Toten zu machen oder flieht, es spielt keine Rolle. Aber bleibt fort!“
„Ich werde Ersteres tun“, sagte Halef Omar und spie auf den Boden. „Diese Ungeheuer sind mir zuwider wie kaum etwas anderes. Und Ihr, Alemanne?“ Stabener lachte. „Ich bin Franke, aber ja, lasst uns so viele wie möglich von diesem Abschaum endgültig ins Jenseits befördern!“
„Dann lasst uns keine weitere Zeit verlieren“, sagte Hassan-i-Sabbah und deutete auf seine Rüstung. Noch während er weitersprach, veränderte sich seine Gestalt und er wurde zum Greif. „Helft mir, meinen Panzer anzulegen. Ich werde bei Einbruch der Dunkelheit die schützende Höhle verlassen und mich unten am Zugang zur Burg auf die Lauer legen. Kurz bevor der Morgen graut, müsst ihr das Pech entzünden. Wenn die Vampire aus der brennenden Festung flüchten, werde ich bereit sein.“
„Wir werden das Pech zum Brennen bringen!“, schwor Halef und griff nach Hassans Brustpanzer. „Wir treiben Euch die Bestien entgegen.“
Als sich die Dunkelheit über die Festung senkte, verließ Hassan voll gerüstet die Höhle. Der Nachthimmel war wolkenverhangen, der Mond verdunkelt. Hassan brauchte sich nicht darum zu sorgen, ob er entdeckt werden würde. Kaum konnte man die eigene Hand vor Augen erkennen. Die Vampire waren ohnehin keine besonders guten Wachen. Auf den Zinnen konnte Hassan keine Soldaten erkennen, die dort sonst hätten patrouillieren müssen. Vlad war sich seiner Sache wohl sehr sicher. Weshalb sonst sollte er auf die grundlegendsten Sicherheitsmaßnahmen verzichten?
Hassan folgte dem Verlauf der Straße in der Deckung des Buschwerks. Dort, wo der Aufstieg zur Festung seinen Beginn nahm, wollte er sich auf die Lauer legen und warten, bis Vlad sich zeigte. Dann würde er improvisieren müssen. Er hatte keinen Plan, wie er Vlad von den Vampiren trennen sollte. Alles hing davon ab, wie sich der Herr der Vampirarmee verhalten würde. Das war nicht zufriedenstellend für Hassan, aber es war die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel, die einzige Taktik. Nun, er hatte noch die ganze Nacht, um nachzudenken. Vielleicht würde er noch eine Eingebung haben. Vielleicht würde ihm noch etwas einfallen, das er übersehen hatte, das ihm entgangen war. Hassan umklammerte den Kriegshammer und starrte auf die Festung, die sich wie ein schwarzer Schatten auf dem Rücken des Faragasch erhob.
Die Stunden schlichen dahin und Hassan beobachtete die Zitadelle unablässig. Lichter flackerten oben auf der Burg, liefen die Zinnen
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