Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
die Botschaft geschickt hatte! Er erkannte den Seelenverwandten, der ihm schon bei seiner ersten Begegnung als ein solcher erschienen war. Er war, wie Nostradamus selbst, ein Wissender und das erklärte, weshalb er ihn erreichen konnte, obwohl sie so weit voneinander entfernt waren. Die zwei Weisen führten ein stummes Zwiegespräch. Hassan-i-Sabbah war sichtlich ebenso erstaunt wie Michel de Notre-Dame. „Ihr!“, sagte die stumme Stimme, die nur im Kopf des Propheten erklang. „Ich hätte es mir denken können!“
„Hassan-i-Sabbah, der Alte vom Berge, ich sehe, Ihr habt meine Botschaft erhalten!“
„Ich grüße Euch, Prophet! So wart Ihr es, der mir diese Vision gesandt hat!“
„Und werdet Ihr dem Rat folgen? Er kommt nicht von mir, ich bin nur der Überbringer. Die Botschaft kommt aus der Anderwelt.“
Das blaue Leuchten um Hassan-i-Sabbahs Gesicht flackerte und wurde dunkler, fast violett. „Mir wurde von der Anderwelt ein anderer Auftrag erteilt“, hallte die tonlose Stimme. „Es hieß, ich müsse allein gegen den Drachen antreten, um Erfolg zu haben und meine Erfahrung sagt mir, dass es so sein muss.“ Nostradamus konnte fühlen, dass sein Gegenüber die Wahrheit sprach. Er glaubte an seine Mission und daran, dass er sie allein bestehen musste. Sollte er Überzeugungsarbeit leisten? Sollte er versuchen, den anderen zu überzeugen? „Seid dessen nicht so sicher. Mir wurde aufgetragen, Euch zu warnen, es allein zu versuchen. Ihr braucht die Hilfe von ...“ Nostradamus sandte ein Bild von Rebekka und vermied es, sie als Vampir oder Drachenträger zu titulieren.
„Ich sehe, dass Ihr es ehrlich meint“, kam die Antwort von Hassan. „Aber … Nein, ich werde mich an den ursprünglichen Auftrag halten. Ich selbst kann nicht in die Anderwelt, seit ich in einen Greif verwandelt wurde und so bleibt mir nichts anderes, als mich an meine Aufgabe zu halten. Seit Jahrhunderten versuche ich, Kontakt zur Anderwelt zu bekommen. Erfolglos. Nun kommt Ihr und wollt mich von meinem Weg abbringen. Ich habe zu oft meinen Weg verlassen, habe zu oft versucht, das Ziel auf andere Art zu erreichen … Nein, ich werde dem Drachen allein gegenübertreten!“
„Ich bitte Euch, überdenkt Eure Entscheidung!“, bat Nostradamus. Hassans Geist verdunkelte sich weiter. „Versucht nicht mehr mich zu beeinflussen! Ihr werdet mich nicht überzeugen, anders zu handeln, als ich muss!“ Hassans Bild in Nostradamus Geist strahlte noch einmal kurz auf, dann brach die Verbindung abrupt zusammen und ein scharfer Schmerz, wie ein Stich, zuckte durch Nostradamus‘ Schädel. Der Prophet öffnete langsam die Augen. Sein Versuch war vergebens gewesen. Wenigstens, was den Alten vom Berge anging. Er konnte nur hoffen, dass Rebekka seine Botschaft beherzigen würde. Von Steinborn mochte sie darin unterstützen, aber er war hier nur von geringer Bedeutung.
Es ging um Hassan-i-Sabbah, Rebekka und Vlad Draculea. Auch er selbst war unwichtig … oder gab es eine Möglichkeit, wie er helfen konnte? Nostradamus fühlte sich erschöpft. Er erhob sich und begab sich zu der Liege mit dem kleinen Tisch, auf dem Erfrischungen und Wein bereitstanden. Sein Kopf schmerzte ihn ein wenig nach den geistigen Anstrengungen und Durst quälte ihn.
Er trank zwei, drei Becher Wasser und einen mit Wein leer und aß von dem bereitgestellten kalten Braten und dem Brot. Aber er konnte sich keine lange Pause erlauben. Er musste nachdenken, was man tun konnte, ob es eine andere Lösung des Problems gab, das Vlad Draculea geschaffen hatte.
62. Kapitel
Wir hatten Nazir bei den Tieren im Lager zurückgelassen. Er hatte wohl an die hundert Tiere zusammengetrieben und in einem improvisierten Pferch eingesperrt. Der Assassine war furchtlos und verspürte keine Angst. So war es kein Problem gewesen, ihn inmitten der Toten bei den Tieren zurückzulassen. „Ich werde mich um die Toten kümmern“, hatte er gesagt, „Ich werde sie der Erde übergeben, soweit mir das möglich ist.“ Als wir losgeritten waren, hatte er begonnen, die Leichen in eine Senke zu ziehen und mit Sand zu bedecken. Er hatte viel Arbeit vor sich …
Rebekka war nervös. Meine schöne Vampirin versuchte, es nicht zu zeigen, aber sie konnte mir nichts vormachen. Ich hatte mir vorgenommen, meine Liebste zu unterstützen, wo ich nur konnte, doch fragte ich mich auch, wie ich das bewerkstelligen sollte. Was konnte ich gegen Vlad ausrichten, wenn Wesen wie der Greif Hassan-i-Sabbah und meine Rebekka,
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