Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Die Festung war ihnen egal. Selbst ihr Herr war ihnen bedeutungslos. Für sie zählte nur der Durst. Draculea folgten sie aus demselben Grund. Der Ruf des Blutes. Er hatte sie gemacht, sie erschaffen und deshalb hatte er Macht über sie. Es war sein starker Wille, der sie zwang, zu tun, was er wollte. Vlad, der Vampir, brauchte nur wenig Schlaf, kaum mehr als zwei oder drei Stunden in der Woche. Und immer, wenn er eingeschlafen war, hatten sich seine Vampirsklaven, befreit von seiner geistigen Fessel, aufgemacht, ihren Blutdurst zu stillen. Dann waren sie über Ortschaften hergefallen und hatten getrunken, bis sie spürten, dass ihr Herr wieder erwachen würde. Noch bevor er ganz wach geworden war, hatten sie sich wieder um ihn geschart.
Der größte Teil seiner Truppe wartete unten am Burgberg, am Fuß des Faragasch. Vlad spürte auch ihre Unruhe. Sie bekamen Durst. Er zog sein Reittier herum und ritt die abschüssige Straße hinunter. Auf halber Höhe hielt er inne, zügelte das Pferd und sah hinunter auf seine Armee, seine Vampirsoldaten. Er würde sie führen. Mit ihnen würde er über seine Feinde herfallen wie Heuschrecken über ein Kornfeld! Vlad zuckte zusammen. Dort ging etwas vor sich! Einer der Soldaten war getötet worden. Er hatte es genau spüren können! Vlad gab seinem Pferd die Sporen. Es war so weit! Der Feind griff an! Seine Augen blitzten und er fletschte unter dem üppigen Schnauzbart seine Zähne. Die Schlacht begann und das war seine Welt! Er würde an der Spitze seiner Vampire in den Kampf ziehen! Stabener wischte das schwarze Vampirblut von seiner Klinge. Fünf Mann zählte die Patrouille, die sie überrascht hatte. Fünf Vampire. Ihre kopflosen Körper lagen vor ihm. Drei hatte Halef mit bloßen Händen erledigt und zwei hatte Stabener niedergemacht. Den ersten der beiden hatte er enthauptet, als der Vampir von seinem Pferd gestiegen war, der zweite hatte noch sein Schwert ziehen und angreifen können. Seine Klinge war an Stabeners Haut einfach abgeglitten.
Stabeners Schwert war fast ohne Widerstand durch Fleisch und Knochen des Vampirs gedrungen. „Sie suchen nach uns“, knurrte Halef. „Möglicherweise“, antwortete Stabener. „Das Feuer wird sie nervös gemacht haben. Ich würde auch Patrouillen aussenden ...“ Halef blickte hoch zur Festung. Der Rauch hing noch über Poenari, aber der Feuerschein schien erloschen zu sein. „Was mich nervös macht“, sagte er leise, „Ist der Sachverhalt, dass der Meister nicht gekommen ist, wie es geplant war. Hassan ist nicht gekommen.“
„Seid Ihr sicher? Er kann doch dort oben gegen Draculea kämpfen! Wie sollen wir das wissen?“ Halef schüttelte seinen Kopf. „Ich würde ihn spüren, wenn er so nah wäre. Es muss etwas passiert sein.“ Halef Omar stutzte. Da war ein Geräusch … ein Stück entfernt. Kampflärm! War Hassan-i-Sabbah doch noch erschienen? Er hob den Speer auf, den er beim Angriff der Vampirpatrouille hatte fallen lassen und deutete zum Aufgang zur Burg, die von ihnen aus auf der anderen Seite des Kamms lag. „Dort wird gekämpft, Karl Stabener. Ich werde mich umsehen.
Vielleicht kann ich etwas herausfinden ...“ Der Deutsche sah erst abschätzend zur Burg hinauf, dann zu Halef Omar, dem Schakalköpfigen. „Ich frage mich, ob ich mit Euch kommen sollte. Ein paar Vampire n zu ihrem richtigen Tod zu verhelfen wäre eine schöne Aufgabe. Andererseits würde ich gern das Feuer ein bisschen anfachen. Mir scheint, die Vampire sind besser in der Feuerbekämpfung, als wir dachten. Was meint Ihr?“
„Ich meine, dass es gut wäre, wenn das Feuer weiterbrennen würde. Ein guter Einfall! So geht Ihr und macht den Vampiren Feuer unter ihren Hintern. Ich erkunde, was mit I-Sabbah ist … oder finde heraus, was da vor sich geht. Ich komme danach wieder in unser Versteck. Sollte ich Euch dort nicht antreffen, komme ich Euch suchen.“
„So mag es sein!“, gab Stabener zurück. Dann drehte er sich um und stieg den Abhang wieder hoch. Halef rannte los. Er legte den Weg in kürzester Zeit zurück. Je näher er dem Aufgang zur Festung kam, desto lauter wurden die Kampfgeräusche. Waffenklirren, Hiebe gegen Panzer, das Stampfen von Füßen und dazwischen bestialisches Knurren und das Bersten von Knochen. Aber kein einziger menschlicher Laut. Halef schlich näher und spähte zwischen den Bäumen hindurch. Ihm bot sich ein unglaublicher Anblick. Die Vampirarmee von Draculea kämpfte gegen eine Horde von Menschen und wie es aussah,
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