Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
ohne weitere Störungen verlaufen und wir ritten durch Felder mit blühendem Lavendel auf unser Ziel zu. Ein starker Duft begleitete uns schon, seit wir Grasse verlassen hatten. Dort ging es nur um eines, um Wohlgeruch, um Parfum. Nostradamus hatte Freunde besucht, bevor wir weitergezogen waren, um Kräuter und Mittel einzukaufen, die er in Montpellier nur mit Schwierigkeiten bekommen konnte. Anett de Facourt war Rebekka zu einer guten Freundin geworden. Die beiden Frauen teilten Zelt und Zimmer und waren nahezu unzertrennlich. Auch Michel de Notre-Dame unterhielt sich lang und gern mit der jungen Französin. Ich hielt mich eher fern von der jungen Frau. Da war etwas an ihr, das ich nicht einschätzen konnte, etwas, das wie ein dunkler Schatten über ihr hing. Ich hatte Rebekka von meiner Befürchtung erzählt und sie hatte mir versichert, dass sie wachsam sein wollte. Was ich bei Anett de Facourt spürte, verglich sie mit dem Gefühl, das sie Vlad Draculea gegenüber empfunden hatte.
Rebekka hatte ihre lederne Reisekleidung gegen frauliche Kleidung getauscht. Ihre Schönheit öffnete uns Tür und Tor, wohin wir auch kamen. Ich wusste, dass es tief in ihr anders aussah, aber sie schaffte es, der Welt ein unbeschwertes Äußeres zu zeigen. Wenn wir nächtens zusammensaßen, zeigte sie mir das wahre Gesicht. Rebekka hatte Angst. Sie fürchtete, den Drachen in ihr nicht unter Kontrolle halten zu können und noch mehr fürchtete sie, dass Draculea sich als nicht willensstark genug erweisen würde. Hatte sie nicht von Anfang an dieses Gefühl gehabt, das ihr sagte, dass von Vlad dem Dritten eine unsagbare Gefahr ausging? Oft war Rebekka in den Nächten allein unterwegs. Ich wusste, dass sie Orte aufsuchte, die ihr aus den Erinnerungen Sankt Georgs bekannt waren. Der Drachentöter hatte überall in der Welt Verstecke angelegt, wo er Geld und Waffen gehortet hatte, die es ihm ermöglichten, unabhängig zu bleiben. Wir waren bis auf drei oder vier Tagesreisen an den Ort Crest herangekommen, als sie mich bat, sie auf einer dieser Exkursionen zu begleiten. Wir ritten in die Bergkette hinein, die uns seit einiger Zeit auf der rechten Seite begleitete. Rebekka führte mich in eine versteckte Höhle. Tief in den Eingeweiden des Berges befand sich dort ein versteckter Raum, der von einer schweren Steinplatte verschlossen war. Die Platte sah nicht anders aus als der Fels um sie herum und nur Rebekkas Stärke vermochte sie zu bewegen. Hinter der schweren Platte war das Versteck gut geschützt.
„Hier, Freiherr, werden wir etwas holen“, sagte meine Freundin mit leiser Stimme. „Etwas, das uns noch von Nutzen sein mag. Georgios hat hier einst ein Depot angelegt. Etwas Gold und Edelsteine, von denen wir einige mit uns nehmen werden. Wir werden Geld brauchen und ich denke, Michel wird nicht abgeneigt sein, wenn ich ihm etwas nach Montpellier mitgebe. Doch es gibt hier noch etwas anderes, dessentwegen wir hier sind.“
Sie suchte eine Weile in den Sachen und Dingen, die in dem Raum aufgestapelt waren. Schließlich richtete sie sich wieder auf und hielt einen schlichten Ring in ihrer Hand. Auf den ersten Blick hielt ich den Stein, der mit einem unverzierten Silberreif gefasst war, für einen rötlichen Bernstein. „Ein schönes Stück“, sagte ich. „Wozu soll er Euch dienen, denn ich nehme an, Ihr habt einen besonderen Grund, eben dieses Schmuckstück zu holen?“
Rebekka lachte leise. „So ist es, lieber Freiherr. Dieser Ring ist ein Bindeglied. Ihr seid mein liebster, mein einziger Freund. Nehmt ihn!“ Sie griff meine Hand und schob den Ring auf meinen Ringfinger. Dann zog sie ihren Dolch und ritzte erst meinen Finger und dann ihren eigenen. Die Blutstropfen ließ sie von der Klinge auf den Ring tropfen. Sofort begann der Ring hell zu leuchten und eine leichte Wärme machte sich in meiner Hand breit. Das Leuchten verlosch wieder, doch die Wärme blieb. Fragend blickte ich Rebekka an.
„Solange ihr diesen Ring tragt, werde ich Euch überall finden können, egal, wo Ihr Euch aufhaltet. Ich werde es wissen. Das mag uns in Zukunft noch nützlich sein, denn ich fürchte, dass wir noch einige Unbill erleiden werden.“ Unerwartet beugte sie sich vor, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Mir wurde heiß, aber bevor ich meinen Arm um sie legen konnte, war sie zurückgewichen und hatte sich umgedreht.
„Es wird Zeit, wir sollten uns auf den Rückweg machen!“ Und schon hatte sie den Raum
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