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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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sein Blick nach innen gewendet und seine Gedanken gesehen. Er hatte den Kopf gedreht. Die Hand vor die Augen gehalten und das Wunder völliger Dunkelheit betrachtet, bis draußen jemand redete und das schwankende Licht einer Taschenlampe vor ihm einen senkrechten Lichtstreifen erstehen ließ, der aufflammte und erlosch.
    »Es reicht offenbar nicht, vegetarisches Essen zu bestellen, man muss auch noch dazusagen, dass es alkoholfrei sein soll«, meinte Saana und legte den Löffel behutsam auf den Tellerrand, um ein Klirren demonstrativ zu vermeiden. Das Restaurant gab sich Mühe, wie das ganze Land. Dafür musste man Verständnis zeigen. Sie hatten kein Recht, sich zu beklagen, Reisemüdigkeit und Kater zählten nicht.
    Saana stand damals kurz vor dem Abschluss ihres Pädagogikstudiums, Mikael hatte bereits beschlossen, sich auf Psychiatrie zu spezialisieren. Er hatte schon Praktika in zwei Kliniken gemacht, eine Vorstellung davon gewonnen, worauf er sich einließ. Du willst deine Mutter heilen, hatte Saana ihn analysiert. Das ist deine Lebensaufgabe . Mikael hatte erwidert, die Motive interessierten ihn nicht, ihm gehe es nur darum, dass er es schafft, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.
    Mikael aß seine Suppe auf. Sie bestellten noch Kaffee, gewissermaßen als Entschuldigung dafür, dass Saana ihre Portion kaum angerührt hatte.
    Anschließend gingen sie über den Malecón zum Hotel Duville. Die Wellen brandeten über die Mauer bis auf die Fahrbahn. Mikael erinnerte sich noch Jahre später an den Nachgeschmack des Phantomrums und an den salzigen Nebel, der das Gesicht kühlte und kleine Regenbögen aufleuchten ließ.
    »Sieh mal, die Vögel«, sagte Saana und zeigte zum Himmel.
    Zwei blau-gelbe Vögel umkreisten einander, als folgten sie einer in der Luft verborgenen Chromosomenkette, flogen eine endlose Acht, die sie immer höher führte.
    »Was machen die?«
    Saanas vor Verwunderung langsame Stimme.
    Mikael hätte gern geantwortet, war aber nicht fähig zu sprechen. Er blickte Saana an, die immer noch die Vögel beobachtete. Ihre Augen bewegten sich ruckartig, als versuchten sie, ein Gesamtbild von etwas zu gewinnen, das den ganzen Himmel bedeckte.
    Im Hintergrund rauschte das Meer. Ein unablässiges Geräusch, das tiefer ins Bewusstsein drang als der Verkehrslärm, das Surren der Menschen über der uralten Brandung. Die Sonne brachte selbst die zartesten Härchen auf Saanas Stirn zum Vorschein. Sie zitterten im Wind, während die Vögel am wolkenlosen Himmel immer höher stiegen.
    Es war schmerzhaft und schön. Wie zart Menschenhaare im Wind bebten, im Rauschen des Meeres.
    Aber war das wirklich in Havanna geschehen?
    Vielleicht gehörten die Vögel irgendwo anders hin. Nach Chiang Mei, nach Kairo. Auf den Platz vor dem Zentralkrankenhaus mit den frisch gestrichenen Bänken, blendend weiß, dem Blumenstand und dem Springbrunnen. Dasselbe Licht.
    In der Erinnerung war jeder Geschmack ein Phantom. Wie der feuchte Nebel, die kleinen Regenbögen und die Vögel. Alles nur bunte Punkte, die unablässig ihren Platz suchten und die Symmetrie ihrer Bewegung verloren, wenn man nicht daran dachte, sie oft genug anzusehen, wenn man aufgab.

15
    Jokelas Abschiedskaffee wurde im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes serviert. Die meisten Schwestern und Pfleger sowie zwei zuverlässige Patienten von jeder Station waren eingeladen. Man wollte Jokela ein freundliches Abschiedsbild mit auf den Weg geben, eines, das er in der Galerie seiner Erinnerungen aufhängen und als Pensionär, friedlich im Ohrensessel sitzend, betrachten konnte. Nur die Patientenvertretung von Station D fehlte. Dort gab es keinen einzigen Kandidaten, bei dem man mit Sicherheit sagen konnte, dass er nicht die Torte an die Wand pfefferte.
    Die Verwaltungsdirektorin erntete mit ihrer Rede einige kleine Lacher und brachte sogar Jokelas schlimmste Feinde zum Grinsen. Der Chefarzt bekam einen Blumenstrauß und einen Gutschein für einen Flug mit dem Heißluftballon. Parkkonens Idee, hieß es.
    In jungen Jahren hatte Jokela mit Begeisterung Jules Verne gelesen und sich ausgemalt, wie toll es wäre, im Ballon um die ganze Welt zu reisen. Mikael verstand, wie faszinierend die Vorstellung von einem im Mondlicht über Dünen schwebenden Heißluftballon war, Jokelas Traum. In Wirklichkeit würde er irgendwo über dem Golfplatz von Kråklund eine kleine Runde drehen, in allen Richtungen nur Pflanzwald, dazwischen der Flugplatz und die erleuchteten Quader der

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