Leicht und locker kommunizieren
Zeiten. Reine Gewohnheit. «
Ich glaube, ich bin knallrot geworden, als er das sagte. Ich schämte mich. Er war schwerhörig und ich hatte den Mann in eine negative Schublade gesteckt.
»Verzeihen Sie«, sagte ich zu ihm.
Er beschwichtigte mich: »Frau Berckhan, Sie müssen sich nicht entschuldigen, Sie haben doch nichts falsch gemacht.«
Oh, er hatte keine Ahnung, was ich über ihn gedacht hatte.
Doch wollte ich mich bei ihm entschuldigen. Auch deshalb, weil ich meine Aufmerksamkeit so sehr auf das fixiert hatte, was mich an ihm störte, während ich zugleich das übersehen habe, was er geleistet hat. Er hat die gesamte Organisation der
Vorträge wunderbar hinbekommen. Ich habe ihn nur als denjenigen gesehen, der keinen Abstand halten kann.
Und mich dafür entschuldigen, dass ich das Ganze nicht eher angesprochen habe. Ich hatte aber auch ein Schulterklopfen für mich übrig, weil ich doch noch vernünftig geworden war und den Mund aufgemacht habe.
Ich will Ihnen gern sagen, wie die Sache ausging. Er rückte mir auch weiterhin, wie gewohnt, zu dicht auf die Pelle. Aber jetzt, wo ich wusste, was dahintersteckte, störte es mich nicht mehr so sehr. Hin und wieder sagte ich zu ihm: »Oh, wieder zu dicht. Ich brauch Abstand!«
Er ging einen Schritt nach hinten, wir redeten normal weiter, währenddessen rückte er wieder auf null Zentimeter heran. So ging es die ganze Zeit. Nein, er hat sich nicht völlig geändert. ABER ICH DURFTE EINIGES LERNEN – ÜBER MICH.
Ich steck dich in die Schublade
Lassen Sie uns ehrlich sein. Wir alle haben die Neigung, andere Leute ziemlich schnell in eine Schublade zu stecken. Jemand benimmt sich irgendwie seltsam oder sieht komisch aus und schon hat unser Denken ein pauschales Urteil über diese Person gefällt. Viele Schubladen, in die wir andere Leute packen, sind abwertend. Das geht blitzschnell und schon ist der andere bei uns unten durch: Der eine Typ ist aufdringlich und der andere ist angezogen wie ein autistischer Computerfreak, die Frau sieht aus wie eine Barbiepuppe und der alte Mann guckt so gruselig wie mein Mathelehrer in der fünften Klasse.
Unser Schubladendenken bestimmt, ob wir jemanden ignorieren oder mit ihm flirten. Ob wir uns in der Bahn lieber
woanders hinsetzen oder ob wir mit der Person ein Gespräch anfangen. All das entscheiden wir im Bruchteil einer Sekunde. Angeschaut, Schublade auf, rein mit dem anderen, Schublade zu. Jetzt ist unser Gegenüber festgeklemmt zwischen unseren Pauschalurteilen.
Manchmal reicht es schon, wenn wir hören, was für einen Beruf oder welche Hobbys jemand hat, und schon haben wir denjenigen einsortiert. Viel zu selten überprüfen wir, ob unsere Pauschalurteile auch wirklich stimmen.
Leute gleich in abwertende Schubladen zu stecken, erschwert den Kontakt mit diesen Menschen. Und das macht uns auch einsam. Wenn Sie es schwierig finden, nette Leute kennenzulernen, weil überall nur Idioten rumlaufen, dann könnte das an Ihrem negativen Schubladen-Denken liegen. Vielleicht geben Sie den Leuten keine Chance, weil Sie zu sehr an Ihre ausgedachten Blitz-Beurteilungen glauben.
Mir selbst hilft es sehr, wenn ich mich hin und wieder daran erinnere, dass Menschen niemals nur ein Typ sind, sondern dass die Persönlichkeit immer ein Gemischtwa-renladen ist. Wir sind alle wesentlich mehr als das, was wir in unseren Schaufenstern anbieten.
Wie schätzt du mich ein?
Viele unserer Schubladen im Kopf haben etwas mit unseren frühen Erfahrungen zu tun. Nehmen wir mal an, ich rede so wie Ihre Tante Ingrid und die haben Sie schon als Kind nicht gemocht, weil die Ihnen immer nur kratzige Wollstrümpfe zum Geburtstag geschenkt hat. Jetzt treffen Sie mich und weil ich Sie an Ihre Tante Ingrid erinnere, bin ich Ihnen nicht besonders sympathisch. Der Kontakt zwischen
uns klappt einfach nicht. Ich komme nicht an Sie ran. Ich kann mich abmühen, wie ich will, Sie reden lieber mit anderen Leuten.
Das Ganze läuft natürlich auch umgekehrt. In dem Moment, in dem ich Sie sehe, geht bei mir ebenfalls der gesamte Einschätzungszauber los. Ich mache mir ein Bild von Ihnen, ich beurteile Sie. Und jetzt überlegen Sie bitte einen Moment: Können Sie wirklich von außen beeinflussen, in welche Schublade ich Sie stecke? Können Sie dafür sorgen, dass ich nicht an irgendwelche ungeliebten Onkel und Tanten erinnert werde, wenn Sie vor mir stehen? Nehmen wir mal an, Sie würden tatsächlich alles tun, damit ich Sie positiv beurteile. Könnten Sie sicher
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