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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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wusste keine Antwort. Ein aufgeschnittener Wal war ein aufgeschnittener Wal. Kein anderer schien ihn aufhalten zu wollen. Aber Livia gefiel nicht, dass Francis, der doch für Wale eigentlich gar nichts übrighatte, den Bauch dieses Wals mit einer Axt traktierte. »Warte einfach!«, rief sie.
    »Auf die Plätze!«, rief er und hob die Axt über den Kopf. Die Schneide sauste hinab und blieb im Speck stecken. Francis grinste. Er befreite die Axt und hob sie erneut. Angewidertsah Livia zu. Sie hatte sich beinahe an den Gestank des Wals gewöhnt, aber er kam ihr auf einmal stärker vor. Sie fürchtete, sich wieder übergeben zu müssen.
    »Eins«, sagte er ausholend, »zwei, drei!« Die Schneide blitzte. Livia war sich nie sicher, was zuerst geschah, ob der Wal vor oder nach dem Auftreffen der Axt explodierte. Sie hätte schwören können, dass sie noch in der Luft war, als sie von einer roten Wand getroffen und in den Sand geworfen wurde, wo sie dann unter einem schweren Darmstrang gefangen war. An das Geräusch, mit dem der riesige Kadaver geplatzt war, konnte sie sich nicht erinnern. In ihrer Erinnerung sah sie die Axt, und dann lag sie auf dem Rücken, schaute zu den erstaunten Möwen auf und hörte das Rauschen der Brandung.

12 · Der glückliche Sohn
    W inn hatte Jack Fenn 1969 im Oktober kennengelernt. Es war Winns letztes Jahr auf dem College, und im Oktober drängten sich die geselligen Ereignisse. In der dritten Woche ergingen Einladungen zu einer Cocktail-Party im Ophidian an geeignete Studenten im zweiten Jahr, die sich damit als potentielle Anwärter betrachten durften. Die Mehrzahl von ihnen wurde auserwählt, weil sie Bekannte von Mitgliedern des Ophidian waren. Ein paar pickte man aufgrund ihres Namens aus dem Studienregister heraus. Wer bei der Party niemanden nervte, indem er sich zu kindisch, zu flegelhaft, zu ernst, zu fleißig, glatt oder falsch bescheiden, zu clownhaft, eifrig oder strebsam zeigte, wurde zu einer weiteren und wieder einer weiteren Party eingeladen, bis sich im Teich der Anwärter nur noch wahrlich blaues Blut befand. Die Anwärter, deren Brüder oder Väter bereits zum Club gehörten, galten als quasi sichere Kandidaten, obwohl das im rigiden Auswahlverfahren des Ophidian eigentlich nicht vorgesehen war. Die Ablehnung eines Nachfahren war ungewöhnlich, aber unbedingt möglich, wenn der Apfel allzu weit vom Stamm gefallen war oder der Stamm sich einst selbst bereits als problematisch erwiesen hatte.
    Jack Fenn war ein Nachfahre erster Güte. Nicht nur sein Vater und sein Bruder, sondern auch seine Großväter väter-licher- und mütterlicherseits waren Mitglieder des Clubs gewesen, und sie alle waren beliebt gewesen und hatten sich zeitlebens als Ehemalige engagiert, mit jährlichen Geldspenden und Geschenken sowie stets geöffneten Türen ihrer Häuser für die Mitglieder. Der Versammlungsraum oben im Clubhaus enthielt an zentraler Stelle der Längswand ein langes Krummschwert wie aus Tausend und einer Nacht , dessen Griff in einem Pythonkopf mit leeren Augenhöhlen endete, in dem angeblich einst Rubinen gefunkelt hatten. Ohne dass noch bekannt war weshalb, trug das Schwert seit der Zeit von Jacks Großvätern den Namen Fenn’s Fiedel und mit ihm wurde an Gesangsabenden gefuchtelt, oder man benutzte es zur allgemeinen Belustigung zum Käseschneiden. Gelegentlich schnitt die Klinge auch Fingerspitzen auf, wenn es Ophidianern wieder einmal einfiel, Blutsbrüderschaft zu schließen.
    Als der junge Jack Fenn zu seiner ersten Anwärterparty erschien, kupferglänzend wie ein neuer Penny und mit einer Fülle dunkler Sommersprossen, wurde er enthusiastisch begrüßt und mit der gleichen Freude und leichtherzigen Verehrung von Mitglied zu Mitglied gereicht wie das Schwert seines Vorfahren. Die Jungen waren so übermütig, dass keiner von ihnen (mit Ausnahme von Winn) den fatalen Zug von Ernst bemerkte, der Jack anhaftete. Er hatte immer ein Glas in der Hand, doch trank er nur ganz selten, und er schwatzte mit den Mitgliedern und lachte freundlich über ihre Witze, ohne je seine Reserviertheit aufzugeben. Seine Haltung hatte stets etwas Wertendes. Aber Anwärter waren nicht zum Werten da, sondern um sich bewerten zu lassen. Als Winn seine Zweifel zu äußern versuchte, wischten die anderen sie beiseite und nannten ihn einen alten Griesgramoder Van Mecker. Erst als die Zeit der Prüfung fast vorbei war und die verbliebenen Anwärter in den grauen Wintertagen so sorgfältig unter die Lupe

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