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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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genommen wurden wie Einjährige, die vor einen Preisrichter treten sollten, bekam Winn den Beweis, der seinen Verdacht erhärtete.
    Zusammen mit einem anderen Studenten im letzten Jahr namens Bill Midland und einem strammen, rigiden, rotgesichtigen Ehemaligen namens Denton wurde Winn beauftragt, Jack Fenn und zwei weitere Anwärter, Zwillingsbrüder mit dem Nachnamen Boothe-Snype, zum Mittagessen in ein Restaurant einzuladen. Denton wählte eines der Lieblingslokale des Clubs, mit Stilmöbeln in Eiche und Messing, und sie wurden von einem mürrischen Oberkellner in einen kleinen Nebenraum geführt, der durch einen Vorhang abgetrennt war. Dort nahmen sie auf einer hufeisenförmigen Lederbank unter dem Floß der Medusa Platz – einer Kopie in Öl. Winn, Bill Midland und Denton bestellten Steak, Zwiebelsuppe, Maisbrei, je eine gebackene Kartoffel und einen Caesar Salat, und Denton wählte zwei Flaschen guten Burgunder aus.
    »Kalt draußen«, sprach Denton, als er Schnittlauch auf seine Kartoffel löffelte. »Da ist ein herzhaftes Mittagessen gerade das Richtige.«
    Die Anwärter nickten und beäugten die Köstlichkeiten auf den Tellern der Mitglieder, während sie, mit ordentlich angelegten Ellbogen, die von ihnen taktvoll gewählten bescheideneren Speisen in Angriff nahmen: ein Stubenküken für Jack Fenn und Seezunge Müllerin für die beiden Boothe-Snypes. Winn verspürte einen Anflug von Mitleid. Er hatte vor nicht allzu langer Zeit in ihren Schuhen gesteckt und wusste noch, wie beklommen er sich bemüht hatte, eine Wahl zu treffen, die kultiviert und ophidianisch wirkte, dochnicht unbescheiden oder gierig. Wie bestrebt er gewesen war, nichts Falsches zu sagen und zugleich nicht so lange darüber nachzudenken, was er sagen sollte, dass er gar nicht zu Wort kam. Wie befangen es ihn gemacht hatte, seine Gesellschaftsfähigkeit unter Beweis stellen zu müssen. Darum ging es bei diesen Essen natürlich: Man wollte feststellen, ob die Anwärter erstens die Art von Männern waren, die des Ophidian würdig waren, und zweitens die Art Männer, mit denen die bestehenden Mitglieder gut harmonieren würden. Schließlich sollten sie alle Brüder sein, und zwar Brüder, die einander erwählten. Dieser Selektionsprozess, diese rationale Auswahl war Winns Ansicht nach fundierter als jedes zufällige genetische Band. Die Mitglieder des Ophidian gingen eine durchdachte Verpflichtung ein, indem sie einen feierlichen Schwur abgaben, nachdem sie eine gegenseitige Verwandtschaft ... Winn liebte das Wort Seele nicht, doch das war es im Grunde, das Ideal der Ophidianer war im Grunde wirklich eine Brüderschaft, nicht der Herkunft, sondern der Seele.
    Als Anwärter war er einst in dasselbe Restaurant eingeladen worden, und das Gespräch hatte sich größtenteils um Sport gedreht –Tennis, Football und Lacrosse –, bis einer der anderen Anwärter damit herausrückte, dass er ein bekannter Eiskunstläufer sei, ein Nationalmeister. Als er das Wort Eiskunstlauf äußerte, hatte Winn erleichtert aufgeatmet, denn schon damals, als kleiner Anwärter, hatte er gewusst, dass es eines Ophidianers nicht würdig war, Pirouetten zu drehen, und dass er, wenn er in die subtile – ach-so-subtile – Hänselei dieses Jungen mit einstimmte (der, wie sich herausstellte, im Jahr danach bei den Olympischen Spielen in Grenoble einen äußerst un-ophidianischen zwölften Platz belegte), seineVerbindung zu den Mitgliedern stärkte. Der Lunch, bei dem Jack Fenn auf dem heißen Stuhl saß, fand am 3. Dezember 1969 statt, nur zwei Tage nachdem sie alle die Spannung der Rekrutierungslotterie durchgestanden hatten, deshalb wandte sich das Gespräch rasch dem Thema ihrer Zahlen zu. Bill Midland gab als Erster seine Zahl preis, sie lautete 248.
    »Elfter Juli«, sagte er. »Meine Glückszahl hat mich nicht im Stich gelassen.«
    »Prima«, sagte Denton. »Das ist ja noch mal gut gegangen. Nicht, dass Sie keinen hervorragenden Soldaten abgäben. Aber ich denke mir, Ihre Prioritäten sind andere.«
    »Haben Sie von David Eisenhower gehört?«, fragte einer der Zwillinge.
    »Er war gleich als Zehnter an der Reihe«, sagte der andere.
    »So ungefähr«, stimmte Denton zu. »Das ist in Ordnung. In der Familie herrscht eine ausgezeichnete militärische Tradition. Er wird vermutlich nach Vietnam müssen, aber man wird ihn vernünftig einsetzen. Da bin ich mir sicher.«
    »Ich kenne ihn aus Exeter«, sagte Bill Midland. »Nicht gut, aber er war in meinem

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