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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ist Folter. Inzwischen bin sogar ich so weit, dass ich sage, es hat keinen Zweck mehr. Es bringt ja nichts für unseren Kleinen, wenn er mit zwei unglücklichen Eltern leben muss.«
    Typisch, dass Javis die Niedergeschlagenheit seiner Partnerin nicht auf sich bezog. Das war schon damals so gewesen. Er konnte sich einfach nicht in andere Menschen hineinfühlen. Schlecht für einen Schauspieler! Ivy ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen, bis er an einem antiken Tischchen hängen blieb, auf dem Familienfotos in Silberrahmen gestaffelt aufgebaut standen. Sie trat näher heran und nahm ein Bild hoch, das eine hübsche Frau mit blondem Pferdeschwanz und einem kleinen Jungen auf dem Schoß zeigte. »Ist sie das?«
    Javis blies verächtlich die Luft aus. »Ja, aufgenommen während eines seltenen Moments der Zufriedenheit.«
    Vorsichtig stellte Ivy das Bild zurück zu den anderen Bildern. Im Gesicht dieser Frau, in ihrem tapferen, hoffnungswilligen Blick erkannte sie sich. Dieser Frau konnte sie nur wünschen, dass sie irgendwann den Schuss hörte und Javis verließ. »Was arbeitet deine Frau?«
    »Wenn ich das wüsste!«, rief Javis. »Sie weiß es ja nicht einmal selbst. Ständig fängt Stephanie etwas Neues an. Erst wollte sie Fotografin werden, dann doch lieber ein Café eröffnen oder einen Laden mit importierten Einrichtungsstücken. Dann war eine Zeit lang die Rede von einer eigenen Galerie, und zum Schluss wollte sie Gesellschaften organisieren, um Leute aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Aber dann hatte sie wieder Bedenken, dass Jefferson, unser Kleiner, zu kurz kommt und …«
    »Wie alt ist er denn?«
    »Jefferson ist letzten Monat drei Jahre alt geworden.«
    Ivy nickte. »Aha.« Und rechnete nach. An den weinrot gestrichenen Wänden hingen ebenfalls große Leinwände, die mit rußartigen grauschwarzen Farbschlieren gestaltet waren. Sie ließ sich auf der glatten Sofalehne nieder. »Drei sagst du?« Das Leder quietschte.
    Tröpfchenweise sickerte nun auch bei Javis durch, dass er gerade seinen eigenen Betrug offengelegt hatte. Er lachte. »Wow! Shit! Erwischt!« Er prostete Ivy anerkennend zu. »Gratuliere, du hast mich erwischt!«
    Ivy nahm einen größeren Schluck. »Gern geschehen, Javis.«
    Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, der auf dem Kaminsims stand, und grinste weiter. Dabei sprach er mit solcher Inbrunst, begleitet von ausladender Gestik, als würde er auf einer Theaterbühne gerade seinen großen, hochemotionalen Auftritt haben. »Okay, ich geb’s zu. Damals, als ich mit Stephanie was hatte, waren wir noch zusammen. Ich hab Mist gebaut. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor. Ich musste einfach raus aus dieser unerträglichen Enge. Meine künstlerische Energie war vollkommen verpufft.«
    Ivy lächelte verstehend. »Gibt es noch weitere Kinder, die drei sind oder älter?« Bevor sie von Javis eine niederschmetternde Antwort bekam, erhob sie sich eilig von der Lehne und stellte den halb geleerten Tumbler mit dem schweren Glasboden sicherheitshalber auf einer antiken Kommode ab, neben einem intensiv duftenden Strauß weißer Lilien. Nicht, dass sie ihn am Ende unkontrollierterweise als Wurfgeschoss verwendete. Sie neigte nicht zu unüberlegten, reflexhaften Handlungen. Doch dieser Javis weckte in ihr eine ungeahnte Lust, ihm gehörig den Hintern zu versohlen, um diese unerträgliche Kaltschnäuzigkeit aus ihm herauszuprügeln. Doch auch das hätte nichts gebracht. Bis zum letzten Atemzug würde er ein durch und durch widerlicher, selbstbezogener Egoist bleiben.
    »Weißt du«, Javis kam einige Schritte auf dem dicken Perserteppich hinter ihr her und erklärte in besänftigendem Tonfall: »Ich hab es dir vielleicht nie gesagt, Ivy. Aber ich war schon immer ein Fan von deinem trockenen Humor. Vielleicht wollte ich es damals nicht wahrhaben, aber ich fand dich wirklich witzig. Deine selbstironische Ader. Auch wenn du es mir schwer gemacht hast, dich zu lieben, hast du mich doch irgendwie verzaubert.«
    »Ich hab es dir schwer gemacht, mich zu lieben? … Wieso?« Ivy überflog die gemeinsamen Jahre. Da war nichts. Nichts, was für Javis in irgendeiner Form hätte schwer oder belastend sein können. Außer ihrer uneingeschränkten Liebe und ihrem Bedürfnis, angemessen von ihm behandelt zu werden. Im Gegenzug fielen ihr allerdings seine heftigsten Grobheiten ein.
    Er zündete sich eine neue Zigarette an und blies den Rauch dicht an ihrer Wange vorbei. »Na ja, nach den ersten

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