Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichtes Beben

Leichtes Beben

Titel: Leichtes Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
Vom Netzwerk:
Bronnen und der Älteren nicht mitbekommen.
    »Nein«, sagte die Ältere.
    »Und Ihr Baby?«, sagte Bronnen, auf dessen Telefondisplay KEIN NETZ stand.
    »Ich glaube, das war nur der Schock, weil der Wagen umfiel«, sagte der junge Mann.
    »Aber das kannst du doch gar nicht wissen«, erwiderte die junge Mutter. »Vielleicht hat es ja eine Gehirnerschütterung oder eine innere Verletzung?«
    »Dann würde es ja wohl noch schreien!«, entgegnete ihr Mann.
    Nun ergriff eine andere Frau das Wort. Eine schlanke, nicht sehr große Person, in deren Ausschnitt ein goldener, an einer ebenfalls goldenen Kette befestigter Marienkäfer leuchtete. Trotz der winzigen Falten um ihren schön geschwungenen Mund war die Frau noch immer auffallend attraktiv. Bronnen schätzte sie auf Ende fünfzig. »Die sollen uns endlich hier rausholen!«, sagte sie halblaut.
    »Die Feuerwehr ist schon im Anmarsch«, erwiderte die junge Mutter und sah Bronnen an, als erhoffe sie |44| sich von ihm ein Zeichen der Bestätigung. Plötzlich klopfte es an der Seitenscheibe. Davor standen zwei Männer und gestikulierten.
    »Wir haben einen Verletzten hier drin, aber die Türen gehen nicht auf!«, rief Bronnen, wedelte mit den Händen und schüttelte den Kopf. Doch die beiden hoben nur verständnislos die Schultern.
    »Die Türen!«, rief die Frau lauter, die gefordert hatte, man solle sie endlich herausholen, und wies mit ausgestreckter Hand in Richtung Ausgang.
    Bronnen sah sie irritiert an, betrachtete kurz den goldenen Marienkäfer und dachte: Woher kenne ich dieses Gesicht? Und plötzlich war es wie bei einer Überblendung: Die Erscheinung der Frau, sie war brünett und auf elegante Weise lässig gekleidet, nahm langsam Sarah Hübners Züge an.
    »Sie sind nicht zufällig? Nein, ich meine …«, entfuhr es Bronnen. Dann aber dachte er: Ach, Unsinn! Völlig ausgeschlossen. Das kann gar nicht sein. Die Ereignisse haben mich ja völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.
    »Wie bitte?«, entgegnete die Frau und griff dabei unwillkürlich nach dem Anhänger.
    »Ach, ich dachte bloß, nein, bitte entschuldigen Sie«, sagte Bronnen. Die andere sah ihn nun erwartungsvoll an.
    »Was dachten Sie? Was? Nur zu, sagen Sie es!«
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Bronnen, doch hier riss sein Satz ab, denn nun sah er, dass draußen das Feuerwehrfahrzeug vorfuhr und behelmte Männer in Schutzanzügen heraussprangen.
    |45| »Jetzt holen sie uns raus!«, rief die junge Frau und lächelte in die kleine Runde.
    »Wurde auch höchste Zeit«, sagte Bronnen und war im Begriff, sich wieder dem Verletzten in der Kanzel zuzuwenden. Doch da griff ihn die ältere Frau sanft am Arm, zog ihn zu sich herum und sagte: »Was? Was dachten Sie?« Dabei blickte sie ihm tief in die Augen.
    »Ach«, sagte Bronnen, »dass ich Sie von irgendwoher kenne. Oder jedenfalls zu kennen glaube. Von früher.« Jetzt fing das Baby wieder an zu weinen.
    »Und was glauben Sie, woher?«, fragte sie. Nun spürte Bronnen, dass er recht hatte und dass auch sie es wusste. Denn die Art, wie sie ihn ansah und mit ihm sprach, wurde ihm zusehends vertrauter. Doch statt ihre Frage zu beantworten, sagte er: »Später!«, trat entschlossen an ihr vorbei und einen Schritt zur Seite und stieg auf einen der Sitze. Dann öffnete er mit Gewalt das handtuchschmale Oberlicht und rief durch den Fensterspalt hindurch: »Hey, hallo! Wir haben einen Schwerverletzten hier drin! Holen Sie uns hier raus!«
    Im selben Moment zerbrach geräuschvoll eine Fensterscheibe, zerfiel in tausend glitzernde Teile, die auf Sitze und Fußboden regneten. Frische Luft strömte herein, dann erschien im Fensterausschnitt das Gesicht eines Feuerwehrmannes, der einen riesigen Hammer in der Hand hielt.
    »Na, endlich!«, rief die junge Frau, die ihr wimmerndes Baby im Arm wiegte.
    »Der Fahrer ist schwer verletzt und braucht sofort |46| Hilfe!«, wiederholte Bronnen in Richtung des Feuerwehrmannes und stieg vom Sitz.
    »Sie sind gleich draußen«, beschwichtigte der andere. Dann holte er aus und zertrümmerte mit seinem Hammer die nächste Scheibe. Und dann, zu Bronnens großer Verwunderung, noch eine und noch eine. Bis man deutlich die Stimmen und Geräusche von draußen hören konnte. Doch statt sich zu beeilen und die Rettungsaktion voranzutreiben, drehte sich der Mann plötzlich um und winkte mit der freien Hand einen seiner Kollegen herbei. Gelächter erklang, und Bronnen suchte die Blicke der anderen, denn er verstand nicht. Was gab es denn

Weitere Kostenlose Bücher