Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
Vom Netzwerk:
wahrzunehmen, sondern sein Blick richtete sich nach innen. „Das Leder.“
    „Maiks Armschutz?“ Verdutzt runzelte sie die Stirn.
    „Ich wünschte, ich wäre nie in den Tanzkurs gegangen.“ Die ersten Tränen rannen über seine wächsernen Wangen. „Das ist doch nur für Schwule.“
    Ben driftete ab, doch Marie blieb beharrlich. „Wessen Blut?“
    „Dann hätte ich Julia nie kennengelernt.“ Heulend wiegte er sich vor und zurück. „Ich bin an ihrem Tod schuld. Ich habe sie auf dem Gewissen.“
    „Erzähl mir, was auf der Party passiert ist, sonst vergiftet es dich langsam.“ Sie nahm ihn in den Arm, strich ihm seine Haare zurück und streichelte beruhigend seinen Rücken. „Siehst du das nicht? Es zurückzuhalten macht dich krank.“
    „Fühle mich jetzt schon gaga, aber ich will nicht so schizo werden wie Denis.“
    Sie ließ zu, dass er die Wodkaflasche nahm und an sich drückte, während er den Kopf an ihre Schulter lehnte. „Lass es raus, Ben.“
    „Ja ...“ Seufzend roch er am Wodka, trank jedoch nicht.
    Er entspannte sich etwas in ihrer Umarmung, als wäre eine große Last von ihm abgefallen. Dann begann er zu erzählen, erst zögerlich, stockend und nuschelnd aufgrund seiner Fahne. Aber je mehr er preisgab, desto flüssiger berichtete er, was damals geschehen war, weil er, so vermutete Marie, froh war, seine Bürde endlich mit jemandem zu teilen. Auch wenn er immer wieder zwischendurch Heulkrämpfe hatte, würgte und Pausen brauchte, so klang er dennoch erleichtert.
    Falls er sich allerdings alles von der Seele redete, weil er sich Absolution von ihr erhoffte, war er auf dem Holzweg. Schockiert lauschte sie und biss ihre Lippe blutig vor Entsetzen.
 

33
     
    Nadine Schmitz stand auf, stellte die Heizung höher, was Daniel dazu veranlasste, sich augenblicklich seiner Jacke zu entledigen, und nahm wieder Platz.
    „Ich hörte, wie Ewa Kranich zu Markus sagte, dass sie nicht so wie ihre Tochter enden wollte. Wir besuchten sie einmal im Frauenhaus.“ Nachdem sie ihre Strickjacke zugeknöpft hatte, zog sie auch noch den Kragen bis zu ihrem Kinn hoch. „Ich habe vor ihrem Zimmer gewartet, weil er nicht wollte, dass ich mit reinkam. Auf dem Flur hörte ich, wie er sie bat, zu seinem Vater zurückzukehren, worüber ich mich aufgeregt habe, aber es war eh dicke Luft, daher behielt ich meine Meinung für mich. Außerdem wusste ich, wie sehr er sich eine intakte Familie wünschte. Da ich mich weigerte, schwanger zu werden, bevor mein Studium beendet war, versuchte er, wenigstens seine Eltern wieder zu vereinen.“
    Daniel konnte es kaum glauben, diese Spur war tatsächlich heiß! Ewa Kranich hatte vermutet, dass ihr Ehemann die gemeinsame Tochter bei einem Tobsuchtsanfall getötet hatte.
    Die Puzzleteile rückten an ihre richtige Stelle.
    Horst Kranich musste Julia heimlich zu der Party gefolgt sein. Dort hatte er gesehen, wie nuttig sie in seinen Augen herumlief. Sie überschritt gleich zwei Verbote, das machte ihn stinkwütend. Sein Kamm schwoll augenblicklich an, innerhalb von Sekunden war er von null auf hundert. Zornig bis in die Haarspitzen nahm er sie auf dem Grundstück der Spedition zur Seite, stellte sie zur Rede und prügelte – versehentlich oder auch nicht – alles Leben aus ihr heraus, weil sie seine Anweisungen missachtet hatte.
    Vorsichtig formulierte Daniel seine nächste Frage. „Hat Horst Kranich seine Frau umgebracht und es wie einen Selbstmord aussehen lassen?“
    „Gott bewahre, nein!“ Seit Minuten sah Nadine Schmitz Daniel wieder an und das erste Mal sprach sie aus dem Brustton der Überzeugung heraus, als hätten Ewa und sie sich nahegestanden, was nicht der Fall gewesen war, da sie sich kaum gekannt hatten, als wüsste Nadine genau, was in Frau Kranich vorgegangen war: „Sie war verzweifelt, weil sie sich von Markus Hilfe erhofft hatte. Aber als sie hörte, dass sie seiner Meinung nach zu ihrem Mann heimzukehren hatte, wusste sie nicht, wie es mit ihr weitergehen soll. Ihre Eltern lebten zu diesem Zeitpunkt wieder in Polen, weil sie sich von ihrer kargen Rente in ihrem Heimatland mehr leisten können und ihre Verwandten noch dort wohnen, erklärte Markus mir. Durch Horsts Temperament hatte sie in Köln keine Freunde. Sie fühlte sich einsam und allein gelassen und sah keinen anderen Ausweg mehr als den Tod.“
    „Warum trennten Markus und Sie sich?“
    Selbst die Farbe aus ihren Lippen wich. Die Ränder unter ihren Augen wurden noch dunkler. „Ich hatte das Gefühl,

Weitere Kostenlose Bücher