Leiden sollst du
schon.“
„Jedenfalls handelt es sich bei ihm nicht um GeoGod.“ Schon als Daniel sein Foto auf dem Bildschirm sah, konnte er ausschließen, dass es sich bei ihm um Benjamins Plagegeist handelte. Der Patron war jemand mit einem großen Ego. Er hielt sich für überlegen, vermutlich nicht nur beim Geocaching, sondern im Leben allgemein, und er manipulierte gerne, wahrscheinlich aber nur Schwächere.
Schnapper dagegen lebte auf der Straße und hatte jeglichen Halt verloren. Er besaß bestimmt nicht das Geld, um regelmäßig ein Internetcafé aufzusuchen. Auf dem Bild erweckte er mit seiner schlaffen Gesichtshaut den Anschein, als hätte die Haftstrafe ihm jegliche Kraft geraubt.
Während Michael Schardt nach der Vollzugsanstalt sein Leben geändert hatte, war Schnapper nach der Entlassung sozial abgerutscht. Mike, wie passte er ins Bild? Es war denkbar, dass der Stadtstreicher ihn durch eine Sozialeinrichtung gekannt hatte. Traf das etwa auch auf GeoGod zu?
Lenz’ Blick war der eines Opfers. Ihm fehlten die Aggression und das Selbstbewusstsein des Patrons. Ob dieser sich so weit im Zaum hatte, dass er seinen Zorn verbergen konnte? Psychopathen waren oft ausgezeichnete Schauspieler.
„Hat Schnapper Kinder?“, fragte Marie, begleitet von einem Rascheln. Sie biss von etwas ab, vielleicht einem Brötchen, und kaute genüsslich.
Daniel las die Zeilen hier und da und schaute zwischendurch immer wieder zur geschlossenen Bürotür. Wahrscheinlich ließ sich Vasili absichtlich Zeit, damit er in Ruhe telefonieren konnte. „Einen Sohn und eine Tochter.“
Rasch überflog er den Obduktionsbericht. Lenz wurde so lange verprügelt, bis er nahezu bewusstlos gewesen sein musste. Sein Mörder sägte ihm daraufhin beide Füße ab, zog mit den Haken die Gesichtshaut zurück und schaute vermutlich zu, wie der Stadtstreicher verblutete. Dass er bis zum letzten Atemzug bei Schnapper geblieben war, stand für Daniel fest, denn der Täter musste sichergehen, dass sein Opfer nicht überlebte.
Abgebrüht und kaltblütig!
Daniel vermutete, dass der Mörder sogar eine gewisse Genugtuung daraus zog, den Todeskampf zu beobachten. Vielleicht geilte er sich sogar daran auf. Auf jeden Fall genoss er es, sonst hätte er keinen Wert darauf gelegt, dass der Tod langsam eintrat. Wäre es dem Mörder nur darum gegangen, den Obdachlosen umzubringen, hätte er ihm die Kehle durchgeschnitten oder ihn erschossen. Aber er hatte ihn lange leiden lassen.
Das war ein wichtiger Hinweis, ein sehr wichtiger! Er zeigte Daniel, dass das Verbrechen persönlich gewesen war, ebenso wie die Verunstaltung von Lenz’ Gesicht.
Plötzlich fühlte er sich an den Brandanschlag auf die Wohnung der Mannteufels erinnert. Ben hatte ausgesagt, der Bogenschütze hätte ihn anvisiert, aber die Sehne nicht losgelassen, als wäre sein Ziel nicht, den Jungen oder seine Mutter umzubringen, sondern Angst und Schrecken zu verbreiten.
Der Gerichtsmediziner gab an, dass Günther Lenz bereits zwei bis drei Tage tot gewesen sein musste, bevor er – von Marie – gefunden worden war. Die Totenstarre hatte sich bereits gelöst, was üblicherweise nach vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden geschah, und die Maden auf und im Leichnam befanden sich bereits im zweiten Stadium ihrer Entwicklung, wofür sie um die drei Tage brauchten. Eine Analyse von Fundortmerkmalen, Bekleidung, Rektal- und Umgebungstemperatur, Köpergewicht und vorherrschender Feuchtigkeit untermauerte diesen Richtwert.
Zeugen gab es keine. Niemand der Anwohner wollte etwas Verdächtiges gehört oder gesehen haben. Den Verwesungsgeruch hatte angeblich keiner bemerkt, da es in der Tiefgarage immer stank. Zudem war bekannt, dass Schnapper ab und zu im hinteren Bereich schlief, daher hielten sich alle, die einen Stellplatz für ihr Auto angemietet hatten, von dort fern. Es konnten sich ohnehin nur wenige Bewohner einen Parkplatz dort unten leisten und die Deckenlampe funktionierte wohl schon seit Monaten nicht mehr.
Daniel schnaubte. Die Ballungsgebiete nahmen zu und die Menschen in Großstädten wie Köln rückten näher zusammen, wussten aber immer weniger über ihren Nachbarn. Jeder kümmerte sich nur noch um seinen eigenen Mist.
„Und Michael Schardt? Hat der Streetworker auch Nachwuchs?“
„Ich schau kurz nach.“ Daniel suchte die Fallakte und überflog die Personaldaten. „Ja, ein Mädchen. Seine Frau ist Britin.“
„Vielleicht haben die Kinder von Lenz und Schardt mit GeoGod gespielt und die
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