Leidenschaft des Augenblicks
übernehmen«, bemerkte Hatch ruhig, »denn wenn sie es nicht tut, wird Vincent die Firma entweder verkaufen oder solange weitermachen, bis er tot am Schreibtisch zusammenbricht. Wie auch immer - jedenfalls würde die Familie damit das ganze Potential von Benedict Fasteners verlieren. Und dabei hat die Firma glänzende Zukunftschancen. In fünf Jahren könnte sie leicht fünfmal soviel wert sein wie heute.«
»Sofern Sie die Dinge in die Hand nehmen, wollen Sie damit sagen, nicht wahr?« George musterte Hatch prüfend.
Hatch zuckte die Schultern. »Ich habe ein paar konkrete Ideen, das stimmt.«
»Ideen, die er Dad und dem Rest der Familie ausgesprochen schmackhaft gemacht hat. Alle sind felsenfest davon überzeugt, daß jeder von uns stinkreich wird, wenn Hatch Geschäftsführer bleibt.« Jessies Stimme klang zuckersüß. Zu süß. Doch außer Hatch schien niemand den Sarkasmus zu bemerken, und er reagierte darauf nur mit einem weiteren unverbindlich-höflichen Lächeln.
»Und das stimmt«, sagte Hatch.
Ein Hai, dachte Jessie nervös. Dieser Mann war ein kaltblütiger Hai. Die Faszination, die er auf sie ausübte, ähnelte dem hypnotischen Blick, mit dem eine Schlange ihr Opfer lähmt.
Ethel hob interessiert die Augenbrauen. »Wie haben Sie beide sich denn kennengelernt, meine Liebe?«
»Ich glaube, das erste Mal haben wir an dem Tag miteinander geredet, an dem er mich gefeuert hat. Stimmt doch, Hatch, oder? Ich hatte in der Personalabteilung von Benedict Fasteners gearbeitet, müssen Sie wissen.«
Ethel und George Galloway blickten sie schockiert an.
»Er hat Sie gefeuert?« wiederholte Ethel ungläubig.
»Ja, und es war wirklich ein traumatisches Erlebnis.« Jessie bemerkte einen Ausdruck leiser Irritiertheit in Hatchs Miene und begann sich für das Thema zu erwärmen. Hatch eine sichtbare Gefühlsregung zu entlocken, war ein echter Triumph für sie. Das passierte selten.
»Ich wußte gar nicht, daß Sie für Ihren Vater gearbeitet haben«, sagte George. »Ich hatte immer gedacht, Sie wollten es tunlichst vermeiden, einen Job bei Benedict Fasteners anzunehmen.«
»Ich war nur ein paar Wochen dort. Dad hat darauf bestanden, daß ich es wenigstens einmal versuche. Er meinte, ich wäre es ihm und der Familie schuldig. Ich hatte damals gerade keine feste Arbeit...«
»Wie es bei Jessie so häufig vorkommt«, murmelte Hatch dazwischen.
Jessie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich hatte mich also entschlossen, bei Benedict Fasteners einen Versuch zu starten. Ehrlich gesagt, war es gar nicht so übel. Die Arbeit in der Personalabteilung hat mir mehr Spaß gemacht als erwartet, und ich bin sicher, daß ich mich wirklich gut eingearbeitet hätte. Aber zwei Tage nachdem Hatch die Geschäftsleitung übernommen hatte, war ich entlassen.«
»Du lieber Himmel...« Ethel blickte Hatch an.
»Ich bin sicher, es war nicht allzu traumatisch für Jessie«, sagte Hatch ruhig. »Schließlich ist sie daran gewöhnt, entlassen zu werden. Das passiert doch mit schöner Regelmäßigkeit, Jessie. Nicht wahr?«
»Ich hatte eine ganze Reihe kurzsichtiger, altmodischer Chefs«, informierte sie das Ehepaar achselzuckend.
Hatch nickte. »Arme Kerle.«
Jessie musterte ihn finster und überlegte, ob er tatsächlich versuchte, Humor ins Spiel zu bringen, oder ob er nicht doch so etwas wie Mitgefühl für die zahlreichen Geschäftsführer empfand, die sie vor ihm entlassen hatten. Sie kam zu dem Schluß, daß er es ernst meinte. Hatch meinte es immer ernst. »Wie ich schon sagte, machte mir die Arbeit in der Personalabteilung direkt Spaß. Sie müssen zugeben, Hatch, daß sich die meisten Leute, die ich zur Einstellung empfohlen habe, wirklich gut gemacht haben.«
»Die Einstellungen waren nicht das Problem.«
George wandte sich direkt an Hatch. »Warum zum Teufel haben Sie sie denn dann gefeuert?«
Hatch legte seine Speisekarte auf den Tisch. »Sagen wir einfach, Jessie ist nicht für die Arbeit in einer größeren Firma geschaffen.«
»Mit anderen Worten: Wenn es Differenzen zwischen Angestellten und Geschäftsleitung gab, war ich immer eher auf Seiten der Angestellten«, erläuterte Jessie. »Und das hat dem neuen Geschäftsführer nicht gefallen.«
George Galloway lachte kurz und trocken. »Und was hat Vincent dazu gesagt?«
»Vincent«, erklärte Hatch, »war ausgesprochen dankbar, daß ich Jessies Zeit bei Benedict Fasteners ein Ende bereitet habe. Von dem Tag an, an dem er sie eingestellt hat, suchte er nach einem
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