Leidenschaft des Augenblicks
noch nicht einmal eine Chance gegeben.« Er setzte sich an die Küchentheke. »Jeder von den fünf oder sechs Abenden, die wir zusammen verbracht haben, ist nach genau demselben Schema abgelaufen wie der heutige.«
»Was meinst du damit? Das ist doch ganz normal.«
»Zuerst muß ich dich geradezu in die Enge treiben, damit du überhaupt zusagst. Dann muß ich dich fast gewaltsam dazu zwingen oder erpressen, damit du nicht in der letzten Minute
doch noch absagst. Wenn wir beim Essen sind, läßt du keine Gelegenheit aus, auf mir rumzuhacken. Und wenn ich dich heimbringe, sagst du unten gute Nacht und springst aus dem Auto, als ob hier oben ein anderer Mann auf dich warten würde. Und das nennst du normal?«
»Jedenfalls wirft es die Frage auf, was du in mir siehst. Aber ich denke, wir beide kennen die Antwort darauf.« Mit einer energischen Handbewegung schaltete sie den Wasserkocher ein. »Schließlich bin ich Vincent Benedicts Tochter.«
Hatch reagierte auf diese spöttische Bemerkung mit leiser Verwunderung. Er schaute sie fragend an. »Du glaubst tatsächlich, ich interessiere mich nur deshalb für dich, weil du die Tochter des Firmeninhabers bist?«
Jessie seufzte. »Jedenfalls glaube ich, daß das einen ganz beträchtlichen Teil meiner Anziehungskraft ausmacht.«
»Gut, die Firma hat uns zusammengebracht. Und ich möchte Benedict Fasteners auch unbedingt leiten. Aber ich würde dich niemals heiraten, wenn es mich nicht mindestens genauso nach dir verlangen würde. Ich will dich wirklich. Ganz ehrlich.«
Jessie schnappte nach Luft und zuckte derart zusammen, daß sie einen Löffel voll Teeblätter über die Küchentheke verstreute. »Mist.«
»Entspann dich, Jessie.«
»Du bringst mich immer ganz durcheinander.«
»Ich weiß«, sagte er leise.
»Wie kannst du erwarten, daß ich mich ernstlich für einen Mann interessiere, in dessen Gegenwart ich mir vorkomme wie ein tolpatschiger Trampel?« Sie gab einen weiteren Löffel Tee in die Kanne und griff nach dem Wasserkocher, in dem es bereits brodelte.
»Jessie, bitte. Du weißt genausogut wie ich, daß es zwischen uns gefunkt hat. Und wir beide haben ein berechtigtes Interesse an Benedict Fasteners. Warum also weigerst du dich, mir eine Chance zu geben?«
Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Küchentheke und beobachtete versonnen, wie der Tee das Wasser in der Kanne dunkler färbte. »Okay, okay. Ich sage dir warum. Aber die Antwort wird dir nicht gefallen.«
»Warum überläßt du diese Entscheidung nicht mir?«
»Ich gebe zu, daß ich mich zu dir hingezogen fühle, aber ich werde nichts mit dir anfangen, Hatch. Ich denke nicht daran, mich auf etwas Ernsthaftes mit dir einzulassen. Und ich werde dich auch ganz bestimmt nicht heiraten, obwohl alle das für die beste Idee überhaupt zu halten scheinen.«
»Und warum nicht?«
Sie holte tief Luft. »Weil du ganz genau derselbe Typ Mann bist wie mein Vater.«
Er dachte einen Moment lang schweigend über ihre Worte nach. »Nein«, sagte er dann. »Das bin ich nicht.«
»Du hast recht. Du bist schlimmer als mein Vater. Noch härter. Noch ehrgeiziger. Noch arbeitswütiger. Sofern das überhaupt möglich ist. Mein Vater ist nicht umsonst zweimal geschieden, Hatch. Und nicht etwa, weil er ein Frauenheld wäre oder jemand, der eine ältere Frau durch eine jüngere ersetzen wollte, um sich dadurch selber jünger und mächtiger und erfolgreicher zu fühlen. Er hat beide Male wunderbare Frauen geheiratet, und das wußte er auch. Wenn es nach ihm ginge, wäre er jetzt noch verheiratet.«
»Ich weiß.«
»Wenn du Connie und Lilian fragst, werden sie dir sagen, daß sie ihn geheiratet haben, weil er wirklich unwiderstehlich war, solange sie für ihn an erster Stelle kamen. Und beide haben ihn verlassen, weil er schon kurz nach der Hochzeit zu seiner wahren Geliebten - Benedict Fasteners - zurückkehrte.«
»Es so hinzustellen, ist reichlich naiv und egoistisch, findest du nicht? Keine Frau sollte erwarten, daß ihr Mann ihr zuliebe jeden beruflichen Ehrgeiz aufgibt. Ein so erfolgreiches Unternehmen wie Benedict Fasteners zu leiten, kostet eine Menge Zeit und Kraft, Jessie. Und das weißt du sehr gut.«
»Zu viel Zeit und zu viel Kraft, wenn du mich fragst. Connie und Lilian werden dir jederzeit bestätigen, daß sie es irgendwann leid waren, immer mit der Firma konkurrieren zu müssen. Und ich habe nicht vor, denselben Fehler zu machen. Ich werde mich nicht an einen Mann binden, für den der Beruf immer
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