Leidenschaft des Augenblicks
die Preisrichter garantiert überzeugen. Meinst du nicht auch, Dad?«
»Garantiert«, stimmte Vincent sofort zu. Dann sah er Elizabeth etwas unsicher an. »Ich hoffe nur, du entwickelst dich nicht zu einer dieser radikalen Umweltschützerinnen.«
»Ökologin, Dad, nicht Umweltschützerin«, verbesserte ihn Jessie. »Und Elizabeth weiß noch nicht genau, welche Fachrichtung sie genau verfolgen will. Oder hast du dich inzwischen für etwas Bestimmtes entschieden, Elizabeth?«
»Nein, ich schwanke noch zwischen Biochemie und Biologie.« Elizabeth konzentrierte sich auf ihre Pizza.
»Eilt ja nicht. Solange du dir nicht so lange Zeit läßt wie Jessie«, murmelte Vincent. »Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Umweltschützern und Ökologen? Ich dachte, das eine ist nur ein Fremdwort für das andere.«
Elizabeth setzte eine Schulmeistermiene auf. »Ökologen sind Wissenschaftler, die sich mit den Beziehungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt befassen. Umweltschützer dagegen sind eine politische Gruppierung.«
»Ich frage mich, ob Edward Bright ein echter Ökologe ist«, überlegte Jessie laut, »oder ob es sich nicht überhaupt um einen opportunistischen Hochstapler handelt.«
»Ich wüßte nicht, was das für einen Unterschied machen sollte«, bemerkte Hatch kategorisch. »Da dich die ganze Sache sowieso nichts angeht.«
»Doch, das tut sie.« Jessie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Endlich habe ich eine echte Aufgabe. Einen interessanten Job. Ich arbeite, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich dachte, ihr würdet euch darüber freuen.«
»Verschone mich«, knurrte Vincent.
Jessie wandte sich an Elizabeth. »Ich sag dir was, Schwesterherz. Du verdienst den ersten Preis, und falls aus irgendwel-chen Gründen dieser Eric Jerkface gewinnen sollte, dann wissen wir alle, daß das nur deshalb geschieht, weil er sich bei den Lehrern eingeschmeichelt hat.«
Hatch lächelte. »Irgendwie habe ich den Eindruck, daß du auch dabei bleibst, wenn du dich einmal für eine Seite entschieden hast. Komme was wolle. Stimmt das, Jessie?«
»Jessie ist mehr als loyal.« Vincent musterte seine älteste Tochter mit einem düsteren Blick. »Manchmal sogar zu loyal.«
»Zu loyal kann man gar nicht sein«, meinte Hatch. »Ich habe Loyalität immer als eine besonders wertvolle Eigenschaft angesehen.«
»Eine Eigenschaft, die für Geschäftsinteressen von wesentlichem Vorteil ist, nicht wahr, Hatch?« erkundigte sich Jessie kühl.
Hatch schloß seine Hände fest um das vor ihm stehende Wasserglas. Besser so, sagte er sich, als sie um Jessies Hals zu legen, wonach ihn im Augenblick wesentlich mehr gelüstete.
Eine halbe Stunde später kehrte Vincent in sein Büro zurück und ließ sich in den großen Ledersessel hinter dem Schreibtisch fallen. Dann deutete er mit dem Zeigefinger auf Hatch, der vor ihm stand.
»Dieses Problem mit Jessie«, verkündete Vincent, »ist ganz allein Ihre Schuld.«
»Meine Schuld?«
»Exakt. Hätten Sie sie nicht gefeuert, würde sie noch immer hier bei Benedict Fasteners arbeiten und nicht in der Gegend herumlaufen und ominösen Sektenführern nachspionieren.«
»Bleiben Sie auf dem Boden, Vincent. Sie waren mir so dankbar, daß ich sie gefeuert habe, daß Sie mich an dem Tag sogar zu einem Drink einluden. Oder erinnern Sie sich nicht mehr? Sie war vollkommen fehl am Platz in der Personalabteilung. Verdammt, sie hat einen Haufen Unheil angerichtet. Hätte ich sie nicht hinausgeworfen, stünde es inzwischen übel um die Firma.«
»So schlimm war es nun auch wieder nicht.«
»O doch, das war es«, konterte Hatch. »Sämtliche Abteilungsleiter waren mit ihrer Weisheit am Ende. Es hatte sich in
Windeseile rumgesprochen: Lust auf ein paar zusätzliche freie Tage? Gehen Sie zu Jessie in der Personalabteilung und erzählen Sie ihr eine rührende Geschichte. Sie arrangiert alles. Lust auf ein verlängertes Wochenende? Gehen Sie zu Jessie und sagen Sie ihr, Ihre Großmutter sei gestorben. Jessie kümmert sich darum. Haben Sie das Gefühl, daß man Sie bei der letzten Beförderung übergangen hat, weil Ihrem Vorgesetzten Ihre Nase nicht paßte? Kein Problem. Jessie in der Personalabteilung nimmt die Sache für Sie in die Hand.«
Vincent zuckte zusammen. »Verdammt. Die Sache geriet wirklich außer Kontrolle, nicht wahr?«
»Genau. Und niemand hat es gewagt, etwas gegen sie zu sagen, weil sie die Tochter vom Chef ist. Wie lange, glauben Sie, hätte es gedauert, bis jegliche
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