Leidenschaft des Augenblicks
Blumenstrauß.
»Noch nicht.« Vincent stand auf und griff nach seinem Sakko. »Nur ein ganz gewöhnlicher Geburtstag. Meine Töchter laden mich zum Essen ein. Sieht ganz so aus, als wäre in meinem Terminkalender mysteriöserweise gerade um die Mittagszeit eine gute Stunde frei.«
»Sie können ja mitkommen, wenn Sie möchten«, sagte Elizabeth schüchtern zu Hatch.
Jessie lächelte hochmütig. »Ich bin sicher, Hatch ist viel zu beschäftigt, um uns zu begleiten. Ich wette, er hat alle möglichen Mega-Deals auf dem Schreibtisch liegen, die dringend seiner Aufmerksamkeit bedürfen. Stimmt doch, Hatch, oder?«
Hatch musterte sie ruhig und schlug mit den Akten, die er in der Hand hielt, lässig gegen den Türstock. »Ich schätze, ich könnte eine Stunde oder so erübrigen. Vorausgesetzt, Vincent möchte die Damen nicht ganz für sich haben?« Er blickte den älteren Mann fragend an.
»Teufel noch mal, natürlich nicht. Sind ja schließlich zwei. Ich freue mich, wenn Sie mitkommen. Jessie und Elizabeth laden uns ein.«
»Wie könnte ich da nein sagen?«
»Wir gehen in die Pizzeria«, warnte Jessie, deren Mut sank. Sie konnte fast bildlich vor sich sehen, wie der Computer, der bei Hatch das Gehirn ersetzte, in Sekundenschnelle seinen Terminplan für den Nachmittag umorganisierte. Alles eine Frage der Prioritätensetzung. Und Punkt eins auf der Liste war schließlich seine Werbung um die Tochter des Firmenchefs. Selbst wenn er damit eine Stunde seiner kostbaren Zeit verschwenden würde.
»Ich werde mein möglichstes tun, keine Tomatensauce auf meine Krawatte zu tropfen«, sagte Hatch, ohne eine Miene zu verziehen.
Jessies Augen wurden schmal; sie war sich sicher, daß er es ernst meinte.
»Jessie wird uns alles über ihren neuen Fall erzählen«, verkündete Elizabeth. »Solange Mrs. Valentine noch im Krankenhaus liegt, leitet sie das Büro und fängt auch schon mit bestimmten Ermittlungen an.«
»Ach wirklich?« Hatch zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Du hilfst also der lieben alten Dame dabei, die Toten zum Reden zu bringen? Oder geht es diesmal darum, die bösen Geister aus einem Fitneßclub zu vertreiben?«
»Nein«, erwiderte Jessie, die sein trockener Sarkasmus überraschte. »Ich werde ein junges Mädchen retten, das von einer obskuren Sekte entführt worden ist.«
Alle Herablassung verschwand aus Hatchs Zügen. »Den Teufel wirst du!«
Zunächst ließ er sich noch von der trügerischen Hoffnung blenden, daß sie ihn damit nur aufziehen, ihn absichtlich ärgern wollte, wie sie es so oft tat. Wenn das der Fall war - das mußte er widerwillig eingestehen -, dann war es ihr dieses Mal tatsächlich gelungen, ihn aus der Reserve zu locken.
Als Hatch später neben Elizabeth in der Pizzeria saß und zuhörte, wie Jessie von ihrem neuen »Fall« erzählte, wurde ihm klar, daß es alles andere als ein Scherz war. Er sah Vincent an und hätte ihn am liebsten angefleht, etwas dagegen zu unternehmen. Unglücklicherweise jedoch schien auch Benedict keine Möglichkeit zu sehen, seine Tochter an diesem wahnwitzigen Unterfangen zu hindern. Zwar schaute er sie ausgesprochen mißbilligend an, doch Mißbilligung würde Jessie ganz bestimmt nicht dazu bringen, von ihrem Vorhaben abzulassen.
Hatch blickte sich verstohlen um; er fühlte sich in der kitschig dekorierten Pizzeria ausgesprochen fehl am Platze. Zwar waren er und Vincent nicht die einzigen Geschäftsleute in dem Lokal, doch waren ihre Anzüge ganz zweifelsohne die teuersten.
Hatch wußte sehr wohl, daß Vincent vorgehabt hatte, auch während der Mittagszeit zu arbeiten. Meist ließ sich Benedict ein Sandwich ins Büro bringen, das er dann am Schreibtisch über der Arbeit verzehrte. Ausnahmen bildeten nur die Tage, an denen er während des Essens Geschäfte machte, und dann lud er seine Gäste stets in seinen Club ein. Hatch war mit dieser Lebensweise vertraut, weil er selbst ganz ähnlich verfuhr.
Heute aber saß er hier, aß Pizza und hörte zu, wie Jessie voller Enthusiasmus von ihrem Plan erzählte, irgendeine Spinnerin zu retten, die in die Fänge einer dubiosen Sekte geraten war. Als ob Jessie auch nur das Geringste über Sekten wüßte.
Jessie und Elizabeth schienen überhaupt nicht zu bemerken, daß die beiden Männer keinen Ton zu ihrem Vorhaben äußerten. Hatch beobachtete die beiden Mädchen dabei, wie sie Unmengen Pizza verschlangen und währenddessen fröhlich Pläne schmiedeten, welche Schritte Jessie als erste unternehmen
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