Leidenschaft des Augenblicks
Jessies stärksten Seiten ist«, bemerkte Hatch.
Vincent runzelte die Stirn. »Jessie ist schon in Ordnung. Verdammt, was Sie da heute mittag gesagt haben, trifft den Nagel auf den Kopf. Sie ist unheimlich loyal. Und letztlich tut sie immer das, was für die Familie am besten ist. Wissen Sie, wo das Hauptproblem liegt? Sie machen sie einfach zu nervös. Das ist das Problem. Soll ich Ihnen einen guten Rat geben, Hatch? Hören Sie auf, sie so nervös zu machen.«
»Einen guten Rat? Von einem Mann, der zweimal geschieden ist? Vergessen Sie's. Ich verlasse mich da lieber auf mein eigenes Urteil.« Hatch hörte auf, über die samtene Oberfläche der purpurfarbenen Lilie zu streichen, und ging zur Tür.
Doch auf dem Rückweg zu seinem eigenen Büro klangen Vincents Worte in seinen Ohren. Letztlich tut sie immer das, was für die Familie am besten ist. Hatch nickte zufrieden. Darauf zählte er.
»Und, wie war das große Date gestern abend?« erkundigte sich Elizabeth, als Jessie sie zurück nach Bellevue zu ihrer Schule fuhr.
»Ich habe dir doch gesagt, daß es kein Date war, sondern ein Geschäftsessen.« Jessie lenkte ihren kleinen roten Toyota auf die Brücke, die via Mercer Island über den Lake Washington führte. Sie verzog keine Miene und versuchte den Eindruck zu erwecken, als erfordere der spärliche Nachmittagsverkehr ihre gesamte Aufmerksamkeit. Elizabeth aber durchschaute sie.
»Hey, Jessie. Deine superkluge kleine Schwester hat dir eine Frage gestellt.«
»Du meinst wohl meine klugscheißerische kleine Schwester.«
Elizabeth zuckte mit den Schultern. »Alles, was ich weiß, habe ich von dir gelernt.«
»Gib mir nicht die Schuld an deinen schlechten Manieren. Schlechte Manieren sind gewöhnlich die Folge von schlechtem Umgang. Erinnere mich daran, daß ich mir demnächst mal wieder deine Freunde ansehe.«
»Du kannst sie dir gleich anschauen, wenn wir in der Schule sind. Es sind die mit den schwarzen Lederjacken und den Sicherheitsnadeln im Ohr. Also, komm schon, Jessie. Wie war's?«
»Warum interessiert dich das überhaupt?«
»Du machst Witze, Jessie. Die ganze Familie interessiert sich dafür. Mom sagt, die Situation sei ausgesprochen delikat.« Elizabeth blickte nachdenklich auf die Landschaft von Mercer Island. »Sie sagt, wenn du Hatch heiraten würdest, wäre das für uns alle das beste.«
»Es wird dich vielleicht überraschen, Elizabeth, aber das ist noch lange kein Grund für mich, ihn zu heiraten. Und außerdem hat er mich auch gar nicht gefragt.«
Elizabeth sah sie durchdringend an. »Die Moms werden auch wissen wollen, wie es gestern abend war.«
»Das kann ich mir denken«, zischte Jessie, ohne die Zähne auseinanderzunehmen.
»Und was willst du ihnen sagen?«
»So wenig wie möglich. Es geht sie schließlich überhaupt nichts an.«
Elizabeth runzelte die Stirn. »Das sehen sie, glaube ich, anders. Ich habe gehört, wie Lilian gestern mit Glenna telephonierte. Sie hat gesagt, sie alle hätten ein persönliches Interesse< an dieser Beziehung. Ich denke, das war der Ausdruck, den sie gebraucht hat.«
»Weißt du, was »persönliches Interesse< bedeutet, Elizabeth?«
»Es geht um Geld?« mutmaßte Elizabeth.
»Du hast es erfaßt.« Jessie lächelte humorlos. »Wenn ich Hatch heirate, bleibt Benedict Fasteners in der Familie und steht vor einer großen Zukunft. Und das scheint für alle das wichtigste zu sein.« Auch für Hatch.
»Die Moms sagen, Hatch sei ein echt cleverer Geschäftsmann, ein richtiger Hai, der die Firma zu einer der größten in der Branche machen könne.«
Jessie zuckte die Schultern. »Das würde mich nicht wundem. Aber ich habe keine besondere Lust, einen Hai zu heiraten. Zu viele scharfe Zähne.«
Elizabeth kicherte. »Du brauchst dich ja nicht beißen zu lassen.«
»Ich werde mein möglichstes tun.«
»Jessie?«
»Ja?«
»Was passiert, wenn du ihn nicht heiratest?«
Jessie zögerte einen Moment, entschied sich dann aber, ihr reinen Wein einzuschenken. »Es könnte sein, daß Dad die Firma verkauft, wenn er sich zur Ruhe setzt. Ich schätze aber, daß er das niemals tun wird. Wahrscheinlich wird er genauso weitermachen wie die letzten dreißig Jahre.«
»Wäre das denn so schlimm?«
Jessie kaute auf ihrer Unterlippe. »Ich fände das nicht, aber alle anderen wohl schon.«
»Auch Dad. Weißt du, ich glaube, er wäre ziemlich traurig, wenn du Hatch nicht heiratest. Dad träumt davon, Benedict Fasteners wirklich groß zu machen, nicht wahr?«
»Was
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