Leidenschaft des Augenblicks
soll das? Willst du mir etwa Schuldgefühle einreden? Es gibt schon genug Menschen, die mich in diese Heirat hineintreiben wollen, Elizabeth. Halte du dich da wenigstens raus.«
»Tut mir leid.« Elizabeth schwieg einen Moment. »Glaubst du, Hatch mag dich? Ich meine, nur dich?«
»Du meinst mich - auch ohne die Firma?« Jessie dachte an die Art und Weise, wie er sie gestern abend in ihrer Küche geküßt hatte. Sie erinnerte sich an das Feuer tief in seinem Inneren und an seine geradezu unheimliche Selbstbeherrschung. »Möglicherweise, Elizabeth. Aber für Hatch steht das Geschäft immer an erster Stelle.«
»Er hat dich in letzter Zeit öfters eingeladen, nicht wahr? Und er hätte heute weiß Gott nicht mit uns zum Pizzaessen gehen müssen. Ich glaube, das hat er nur getan, weil er mit dir Zu sammensein wollte.«
»Im Augenblick stehe ich auf Hatchs Prioritätenliste ganz oben. Das heißt, er widmet mir eine Menge Aufmerksamkeit. Aber fünf Minuten nach der Trauung wäre es damit vorbei. Ich bin sicher, während unserer Flitterwochen stünden ein Fax-Gerät und ein Modem auf dem Nachttisch, damit er nur ja jederzeit erreichbar wäre. Hey, hast du heute nachmittag nicht Leichtathletik-Training?«
»Doch.«
»Habe ich mich doch recht erinnert. Vergiß nicht, dich mit Sunblocker einzucremen.«
»Mein Gott, Jessie. Ich bin doch kein kleines Kind mehr. Ich werde es nicht vergessen.«
»Sorry. Und was hast du anschließend vor?«
»Jennifer und ich wollen ins Einkaufszentrum und uns dort mit ein paar Freunden treffen.«
»Ihr beide ganz allein?« fragte Jessie besorgt.
»Nein«, antwortete Elizabeth betont nachsichtig. »Ich habe dir doch eben gesagt, daß wir uns dort mit Freunden treffen. Jennifers Mutter fährt uns hin und holt uns später auch wieder ab.«
»Ich finde nicht, daß sich ein Mädchen in deinem Alter abends in einem Einkaufszentrum rumtreiben sollte.« Jessies Stimme klang entschlossen.
Elizabeth kicherte. »Mom und Lilian sagen immer, du machst dir viel zu viel Sorgen um mich.«
Jessie seufzte. »Tue ich vielleicht wirklich.«
Eine Weile schwiegen beide, dann sagte Elizabeth: »Hey, Jessie?«
»Ja?«
»Glaubst du, daß Dad sehr enttäuscht wäre, wenn Eric Jerkface am Samstag den ersten Preis bekäme?«
»Unsinn. Er würde sich vielleicht über die Preisrichter ärgern, weil er weiß, wie intelligent du bist, und würde denken, daß es nicht gerecht zugegangen ist. Aber er wäre niemals von dir enttäuscht, Elizabeth. Ganz gleich, was passiert. Das weißt du doch, oder?«
»Ja, ich denke schon.« Elizabeth entspannte sich. »Ist schon ganz schön hart für Dad, das ganze Theater mit der Schule noch einmal mitmachen zu müssen. Weil ich doch soviel jünger bin als du.«
»Mach dir darüber bloß keine Gedanken, Kind«, versicherte ihr Jessie. »Es ist nämlich das erste Mal, daß er es mitmacht.«
Einige Stunden später, es war kurz nach fünf Uhr, öffnete Jessie eine Tür mit dem Schild »Dr. phil. Glenna Ringstead, Praxis für Klinische Psychologie« und betrat das gedämpft beleuchtete Wartezimmer. Es war leer. Die Sekretärin ihrer Tante, eine ernst aussehende Frau mit kurzem, grau durchsträhntem Haar, blickte auf und lächelte Jessie freundlich an.
»Hallo, Jessie. Dr. Ringstead ist gleich soweit. Die letzte Patientin für heute sollte eigentlich gleich gehen. Setzen Sie sich doch.«
»Danke, Laura.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Sprechzimmer, und eine Frau Mitte Dreißig kam heraus. Sie trocknete sich die verheulten Augen mit einem Papiertaschentuch. Jessie betrachtete diskret einen der Drucke, die die Wände des Wartezimmers schmückten. Irgendwie machte dieser Raum sie immer etwas nervös.
Die Patientin ging zu Laura hinüber, murmelte etwas über einen Termin in der folgenden Woche, bezahlte ihre Rechnung und ging dann. Kurz darauf kam Glenna Ringstead aus ihrem Büro.
Jessies Tante Glenna war Lilian Benedicts Schwester, doch waren die zwei Frauen denkbar verschieden. In vielerlei Hinsicht ähnelte Lilian Vincent Benedicts zweiter Ex-Frau Connie wesentlich mehr als ihrer eigenen Schwester.
Auch Glenna war verheiratet gewesen. Lloyd Ringstead hatte gearbeitet, bevor er eines schönen Tages die Stadt, seine Frau und seinen Sohn verließ. Das lag inzwischen viele Jahre zurück, und niemand hatte jemals wieder von ihm gehört. Jessie erinnerte sich kaum noch an ihren Onkel Lloyd. Ihre Tante hatte kein zweites Mal geheiratet.
Glenna war eine streng
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