Leidenschaft des Augenblicks
normalerweise nicht daran halte. Noch etwas Kaffee?«
»Versuch jetzt nicht abzulenken. Du begibst dich auf gefährliches Terrain, Lady. Ich bin heute morgen nicht in der allerbesten Stimmung.«
»Oje. Hast du vor, mich anzubrüllen?« Sie fixierte ihn mit gespannter Aufmerksamkeit, so als warte sie darauf, daß die Show endlich losginge.
»Ich habe mich bis jetzt zurückgehalten, und ich denke, ich schaffe es auch weiterhin. Aber ich würde dir raten, mich nicht noch mehr zu provozieren.«
»Oh. Eine versteckte Drohung. Wie aufregend. So habe ich dich ja noch nie erlebt, Hatch. Ich wette, du hältst dich nur deshalb zurück, weil du nicht aufs Spiel setzen willst, das Stück Boden wieder zu verlieren, das du deiner Meinung nach dadurch gutgemacht hast, daß du gestern abend ganz zufällig auf meinem Sofa eingeschlafen bist.«
»Tatsächlich?«
»Ich weiß genau, wie dein Gehirn funktioniert, Hatch. Du hast genau abgewogen, ob es sich rentiert, einen Streit mit mir anzufangen, und bist zu dem Schluß gelangt, daß es bei dem jetzigen Stand unserer doch recht heiklen Beziehung recht unklug wäre, mich anzuschreien.«
»Du glaubst, daß du mich sehr gut kennst, nicht wahr?«
»Gut genug, um deine Gedankengänge zu ahnen.« Sie trank einen Schluck Kaffee und rümpfte die Nase. »Aber ich muß zugeben, ich hatte nicht erwartet, daß du derart unmöglichen Kaffee machst. Er schmeckt einfach grauenvoll.«
»Ich bin auf einer Viehranch groß geworden. Und auf einer Ranch wird nun mal nur starker Kaffee getrunken.«
Ihre Augen blitzten neugierig. »Du bist auf einer Ranch aufgewachsen? Wo denn?«
»In Oregon.«
»Lebt deine Familie noch dort?«
»Nein.« Er wünschte, er hätte den Mund gehalten, doch ein Blick auf ihre Miene zeigte ihm, daß es zu spät war. Wenn Jessie Benedicts Neugierde einmal geweckt war, ließ sie sich durch nichts mehr aufhalten.
Andererseits erfüllte es ihn mit einer gewissen Genugtuung, daß sie ernsthaftes Interesse an ihm bekundete.
»Wo wohnen deine Eltern jetzt?«
Hatch seufzte. »Als ich fünf war, hat meine Mutter uns verlassen, weil sie das Leben auf der Ranch nicht länger ertrug. Vielleicht hat sie auch meinen Vater nicht mehr ertragen. Jedenfalls hat sie die Scheidung eingereicht und ist weggegangen, zurück an die Ostküste; dort hat sie irgendeinen Versicherungsmenschen geheiratet.«
Jessie zog die wohlgeformten Brauen zusammen. »Und was war mit dir?«
Hatch zuckte die Schultern. »Ich bin bei Dad auf der Ranch geblieben, bis ich sechzehn war, und dann bin ich auch verschwunden.«
»Du bist schon mit sechzehn aufs College?«
»Nein. Ich bin einfach nur von zu Hause weg. Dad und ich hatten keine richtige Vater-Sohn-Beziehung. Wir sind nicht besonders gut miteinander ausgekommen.« Hatch verdrängte die Erinnerung an den schwächlichen, verbitterten Mann, der ihn aufgezogen hatte. »Ich war kein Mustersohn, verstehst du? Ich habe ihm einen Haufen Ärger und Sorgen bereitet. Aber wie auch immer - jedenfalls bin ich von daheim fort, habe mich für älter ausgegeben und dann auf einer Ranch in Kalifornien gearbeitet. Zwei Jahre später ist Dad bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Und was war dann?« fragte sie gespannt.
»Ich bin zurück nach Oregon, habe die Ranch verkauft und von dem Erlös die Schulden meines Vaters bezahlt. Mein Vater war kein guter Geschäftsmann - verdammt, er war eigentlich in gar nichts gut. Nachdem er tot war, habe ich mir geschworen, aller Welt zu zeigen, daß er sich geirrt hatte.«
»Inwiefern geirrt?«
Hatch blickte konzentriert in die schwarze Brühe in seiner Tasse. »Er hatte die Angewohnheit, mir immer zu sagen, daß ich es nie zu etwas bringen würde.«
»Nun, in dieser Hinsicht hat er sich tatsächlich geirrt, nicht wahr?« Jessies Blick wanderte kurz über die goldene Uhr an seinem linken Handgelenk.
Hatch lächelte bitter. »Ich schätze, man könnte sagen, daß meine ganzen Erfolge meinem alten Herrn zu verdanken sind.«
»Und was ist mit deiner Mutter? Lebt sie noch?«
»Ja.«
Jessie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Und? Seht ihr euch manchmal?«
»Nicht oft.« Hatch schob einen weiteren Löffel Cornflakes in den Mund. »Ich rufe sie jedes Jahr zu Weihnachten an.«
»Das ist nicht besonders oft, Hatch.«
Ihr vorwurfsvoller Blick irritierte ihn und steigerte seine Wut. »Um Himmels willen, Jessie, laß dieses Thema fallen, ja? Es geht dich zwar nichts an, aber es ist nun mal so, daß ihr nichts daran
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