Leidenschaft des Augenblicks
eine Art Ehemann braucht Jessie denn Ihrer Meinung nach?«
»Was sie braucht und in ihrem Innersten auch will, ist jemand, der das genaue Gegenteil ihres Vater ist. Ein netter, freundlicher Mann, der sich um sie kümmert, immer für sie Zeit hat und ihr Liebe und Freundschaft bietet. Ein familienorientierter Mann -nicht jemand, bei dem der Beruf an erster Stelle steht. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, Hatch, aber Sie sind nicht der Richtige für Jessie. Bei Ihnen würde sie nur das destruktive Verhaltensmuster wiederholen, das sie für die Beziehung zu ihrem Vater entwickelt hat. Ich möchte Sie bitten, das zu bedenken, bevor Sie Jessie in eine feste Beziehung hineindrängen. Wenn Sie sie wirklich gern haben, dann lassen Sie sie gehen.«
»Jessie gehenlassen? Ich denke ja nicht daran.« Kalte Wut stieg in ihm auf. Am liebsten hätte Hatch den nächstbesten Gegenstand gepackt und gegen die Wand geschleudert. Er schaffte es jedoch, äußerlich Ruhe zu bewahren, und ging zur Tür. »Eines sollten Sie wissen, Dr. Ringstead: Sie haben vielleicht einen Doktortitel, aber Sie haben keine Ahnung, wovon Sie da reden. Ich werde Jessie ein verdammt guter Ehemann sein.«
Er verließ die Praxis, ohne irgendwelche Türen zu knallen, doch viel hätte dazu nicht gefehlt.
Jessie gehenlassen? Die Frau war verrückt. Hatch hatte noch nie irgend etwas so sehr gewollt, wie er jetzt Jessie Benedict wollte.
Ein paar Minuten später befand er sich auf dem Gehsteig vor dem Gebäude. Es war halb sechs, und auf den Straßen drängten sich Menschen, die entweder auf dem Heimweg oder unterwegs zur nächsten Bar waren. Vor einem Kaufhaus fand er eine leere Telephonzelle und versuchte noch einmal, Jessie zu Hause zu erreichen.
Noch immer keine Antwort.
Leise fluchend legte Hatch auf.
Dr. Ringstead hatte unrecht. Er war genau der Richtige für Jessie, genau der Mann, den Jessie brauchte und auch wollte. Zum Teufel, mit einem Schwächling, wie Glenna ihn vorschlug, würde sie doch nur Schlittenfahren. Sie und ihre Tante mochten glauben, daß so jemand richtig für sie wäre, doch Hatch war überzeugt, daß sie mit einem derartigen Ehemann keine sechs Wochen lang glücklich sein würde. Jessie brauchte jemanden, der genauso willensstark war wie sie, jemanden, den sie respektierte. Jemanden, der sie beschützen konnte, nicht nur vor ihrer eigenen Unausgeglichenheit, sondern auch vor den Ansprüchen, die ihre Familie an sie stellte.
Man brauchte keinen Doktortitel in Psychologie, um das zu erkennen. Es war eine ganz einfache Sache zwischen Mann und Frau.
Vincent wartete schon auf ihn, als er ins Büro zurückkehrte. Er stand im Gang neben dem Tisch von Hatchs Sekretärin, blickte ihn stirnrunzelnd an und schwenkte einen Aktendeckel in der Hand.
»Wo zum Teufel waren Sie? Was geht hier eigentlich vor? In letzter Zeit sind Sie öfter unterwegs als an Ihrem Platz in der Firma. Wie zur Hölle wollen Sie das Unternehmen leiten, wenn Sie jedesmal einfach so mir nichts, dir nichts verschwinden, wenn Ihnen gerade danach ist?«
»Beruhigen Sie sich, Vincent. Ich bin nicht gerade bester Laune.« Hatch drängte sich an dem älteren Mann vorbei und ging in sein Büro.
Immer noch den Aktendeckel schwenkend, folgte Benedict ihm. »Wissen Sie, was das ist? Das ist ein Bericht der Baufirma, der wir den Auftrag zum Bau des neuen Lagerhauses erteilt haben. Gestern sind die Türen geliefert worden, und die verdammten Dinger haben die falschen Maße. Können Sie sich das vorstellen? Wir müssen sie alle zurückschicken.«
»Vincent, das ist ein Problem, mit dem sich jemand ganz anderer herumärgern sollte. Ich habe Ihnen doch schon öfters gesagt, daß Sie lernen müssen, Ihre Zeit nicht mit solchen Kinkerlitzchen zu vergeuden. So etwas gehört delegiert. Sie haben Wichtigeres zu tun.«
»Ein ganzer Satz Türen, der nicht paßt, ist verdammt noch mal wichtig. Und dann noch etwas - das Spokane-Projekt. Wenn Sie nicht aufpassen, wird Yorland and Young den Auftrag bekommen.«
»Das wäre kein großer Verlust.« Hatch setzte sich in seinen ledernen Chefsessel.
»Kein großer Verlust? Verdammt noch mal, ich will diesen Auftrag. Und Sie haben gesagt, daß wir ihn auch kriegen.«
»Das werde ich auch, wenn Ihnen wirklich soviel daran liegt. Ich bin nur einfach der Ansicht, daß es den Aufwand nicht lohnt. Wir brauchen diesen Auftrag nicht. Wir sind jetzt auf dem Weg zu Größerem. Lernen Sie doch endlich, in anderen Dimensionen zu denken, und
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