Leidenschaft des Augenblicks
überlassen Sie solche unrentablen Aufträge ruhig kleineren Firmen wie Yorland and Young.«
Benedict setzte zu weiteren Argumenten an, hielt dann aber plötzlich inne. »Herrgott, sind Sie aber aggressiv. Irgendwas hat Sie ganz schön in Wut gebracht, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen.«
Benedicts Augen wurden schmal. »Macht meine Tochter immer noch Probleme?«
»Keine, die ich nicht im Griff hätte.«
»Was ist denn eigentlich los? Wo waren Sie denn überhaupt die letzte Stunde?«
»Bei Glenna Ringstead.«
»Aha.« Vincent setzte sich und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Kein Wunder, daß Sie sauer sind. Diese Frau hat eine Art, die jeden Mann auf die Palme bringen könnte, nicht wahr?«
Hatch fiel Benedicts seltsamer Tonfall auf, und er schaute den älteren Mann an. »Das klingt, als hätten Sie sich auch schon mal mit ihr angelegt?«
»Ein oder zwei Mal.«
»Hat sie auch versucht, Sie wegen Jessie ins Gebet zu nehmen?«
»Hin und wieder.«
Jetzt verlor Hatch endgültig die Geduld. »Vincent, Ihre lahmen Bemerkungen können Sie sich sparen. Wenn Sie was zu sagen haben, dann sagen Sie es, in Herrgotts Namen.«
Vincent rieb sich die Schläfen und seufzte wieder. »Glenna und ich, nun, wir beide hatten eine Weile ein Verhältnis. Sie wissen schon... «
»Ein Verhältnis?« Hatch war völlig verblüfft. »Sie hatten ein Verhältnis mit Glenna Ringstead? Das ist ja kaum zu glauben.«
»Wem sagen Sie das. Es ist schon ewig her. Gleich nach meiner Scheidung von Lilian. Lloyd Ringstead war kurz zuvor auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Mir ging es damals nicht gut, und Glenna auch nicht. Eines Abends haben wir uns zusammengesetzt und uns gegenseitig unser Leid geklagt. Und zuviel getrunken. Irgendwie sind wir dann im Bett gelandet. Das passierte dann noch ein paarmal, bis wir merkten, daß wir uns vollkommen idiotisch benahmen.«
»Heiliger Strohsack. Ich fasse das einfach nicht. Irgendwie kann ich mir Sie und Glenna einfach nicht zusammen vorstellen.«
»So ging es uns auch, als wir wieder bei Sinnen waren. Wie ich schon sagte, es dauerte nicht lange.« Benedict rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Ich habe es Lilian ge-genüber nie erwähnt und auch sonst nie darüber gesprochen. Und Glenna auch nicht, soviel ich weiß. Das Ganze war uns beiden irgendwie peinlich.«
»Hatte sie damals schon wieder angefangen zu studieren?« erkundigte sich Hatch.
Benedict schüttelte den Kopf. »Nein. Aber sie sprach damals oft davon, daß sie zurück auf die Uni wollte, um ihren Doktor zu machen. Ich redete ihr zu und habe ihr auch angeboten, sie solange finanziell zu unterstützen. Teufel, David war damals noch ein kleiner Junge, und sein Vater hatte sich auf unfeine Art aus dem Staub gemacht. Lloyd hatte hier bei Benedict Fasteners für mich gearbeitet; er war ein verdammt cleverer Buchhalter. Aber ich wußte, daß Glenna und das Kind kein Geld hatten. Und Glenna war schließlich Jessies Tante. Und ich hatte mit ihr geschlafen. Ich schätze, ich hatte das Gefühl, ihr etwas schuldig zu sein.«
»Heiliger Strohsack«, sagte Hatch noch einmal.
»Ich sag' Ihnen was: Ich mochte sie lieber, als sie noch nicht ihren Doktortitel in Psychologie hatte«, vertraute Vincent ihm an. »Wissen Sie, ich habe versucht, David ab und zu ein bißchen unter meine Fittiche zu nehmen. Aber ich fürchte, das ist mir nicht besonders gut gelungen.«
»Hey, er hat den Collegeabschluß geschafft und war noch nie im Knast. Was wollen Sie denn noch mehr? Ich kenne schlechtere Vaterfiguren.«
Vincent hob die Augenbrauen. »Tatsächlich? Wen denn zum Beispiel?«
»Meinen eigenen«, antwortete Hatch trocken. »Ein echter Mistkerl.«
Vincent blickte ihn nachdenklich an. »Ich wette, er hätte von meinem noch was lernen können. Der hat sich abgesetzt, als ich acht war. Ich habe ihn nie wiedergesehen.«
Hatch nickte. »Trotzdem bin ich überzeugt, daß Kinder manchmal ohne Vater sogar besser dran sind.«
»Ja. Wahrscheinlich. Aber manchmal wünschte ich mir trotzdem, ich hätte Gelegenheit gehabt, meinem Alten zu zeigen, daß ich es zu etwas gebracht habe. Wissen Sie, was ich meine?«
»O ja, ich weiß sehr gut, was Sie meinen«, sagte Hatch.
Hatch wußte nicht, ob er sich ärgern oder Sorgen machen sollte, als er einige Stunden später bei Jessie Sturm läutete und niemand aufmachte. Es war acht Uhr abends. Wenn sie oben in ihrer Wohnung war, mußte sie die Klingel abgestellt haben. Oder sich taub stellen.
Er
Weitere Kostenlose Bücher