Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
Umgebung wieder verschwommen wah rn ehmen konnte, sah er Aislinn, die neben ihm im Straßenstaub kniete und mit einem Schlachtermesser an dem Seil säbelte, um ihn zu befreien. Auf der anderen Seite kniete Dorrie, deren Gesicht so weiß wie Marmor war.
»Bist du verletzt?« fragte seine Schwester.
Das war die blödeste Frage, die er je gehört hatte. Er war gerade die halbe Länge der Hauptstraße hinter einem galoppierenden Pferd hergeschleift worden und hatte kaum noch einen Fetzen Haut auf dem Leib, der nicht verschrammt war, und wenn er nicht an gebrochenen Knochen oder inneren Verletzungen sterben würde, dann bestimmt an seinem verletzten Stolz. Trotzdem schüttelte er den Kopf, um Dorrie zu beruhigen. Als Aislinn das Seil endlich durchtrennt hatte, stand er auf. Sein Kopf brummte, und vor seinen Augen verschwamm alles, aber er biß eisern die Zähne zusammen, auch wenn er sich nur mit letzter Mühe auf den Beinen halten konnte.
Der Cowboy, der Shay überrumpelt hatte, lag ein paar Meter weiter entfernt in seinem Blut. Tristan saß hinter Kyle Senior auf dessen Pferd und drückte dem Rancher den Lauf des Revolvers in den Nacken. Kyle selbst schien die ganze Situation neu zu überdenken, während alle anderen erstaunt zwischen Tristan und Shay hin- und herschauten. Eugenie, die nicht weniger verblüfft war, trat langsam zu Shay, Aislinn und Dorrie auf die Straße. Mit beiden Händen hielt sie ihr berühmtes altes Gewehr fest, von dem alle schon gehört hatten, aber das bisher noch niemand zu sehen bekommen hatte.
Shay versuchte zu grinsen, aber es gelang ihm nicht, denn die Schmerzen waren zu groß, wenn er das Gesicht bewegte. Doch jetzt wusste er wenigstens, wem er sein Leben zu verdanken hatte. Tristan hatte den einen und Eugenie den anderen entscheidenden Schuß abgefeuert.
»Liebes Lottchen!« murmelte sein weiblicher Retter. »Du siehst wirklich übel aus, Marshall .« Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu und wandte dann ihre Aufmerksamkeit wieder Tristan zu. »Wenn ich es nicht besser wüsste , würde ich sagen, daß du dich geteilt hast, Shay. Wer zum Teufel ist der Kerl, der dir wie aus dem Gesicht geschnitten ist? Wenn man von den Schrammen und dem Schmutz einmal absieht.«
Shay konnte inzwischen wieder atmen, auch wenn ihm dabei die ganze Brust höllisch weh tat. Er löste den Knoten der Schlinge und streifte sie ab. Ein paar der Powder- Creek-Männer waren dabei, ihre Toten auf die Pferde zu binden, aber alle anderen standen regungslos da. Die Pferde tänzelten, und über der Straße hing eine Staubwolke, die sich nur langsam legte. Die ganze Szene wirkte seltsam unwirklich.
Tristan preßte seinen Revolver fester an Kyles Kopf und schlang den anderen Arm um die Brust des Ranchers. »Reitet nach Hause«, befahl er Kyles Männern. »Alle - und zwar sofort. Wenn ihr das nicht tut, wird es niemanden mehr geben, der euch am nächsten Zahltag die Löhne bezahlt.«
»Er wird es nicht wagen, mich zu erschießen«, bellte Kyle, dessen Gesicht hart und unnachgiebig war. »Er blufft nur, um euch einz usch üchtern . Holt jetzt endlich Billy raus!«
Zwei oder drei Männer nahmen ihren Boß beim Wort und griffen zu den Waffen. Den einen davon holte Eugenie mit einem einzigen Schuß aus dem Sattel, während Tristan dem alten Ranger ein Stück vom Ohr weg schoss . Das Blut lief über seinen Schneideranzug, aber der Alte war kein Feigling - das muss te man ihm lassen. Er war zwar kreidebleich im Gesicht, und seine Ohren mussten dröhnen wie die Glocken des Doms von Boston, aber er zeigte weder Schmerz, noch griff er sich an die Wunde.
Shay nahm Eugenie das Gewehr aus der Hand und schritt auf Kyle zu. Jeder Muskel seines Körpers schmerzte, jeder Knochen tat ihm weh, und es war nur eine Frage der Zeit, wann er zusammenbrechen würde. »Mr. Kyle«, sagte er und schaute dem alten Rancher fest in die Augen, »es ist mir ein ganz besonderes Vergnügen, Sie festzunehmen. Ihr Sohn vermisst Sie schon schmerzvoll, aber jetzt sind Sie ja hier und können ihm Gesellschaft leisten.«
Im nächsten Augenblick packte Shay den Alten an der Brust und riß ihn aus dem Sattel. Kyle, der blutüberströmt war, fiel auf die Knie, richtete sich aber im gleichen Moment aus eigener Kraft wieder auf. Er starrte Shay an, und seine Augen funkelten vor Haß.
»In dieser Geschichte ist das letzte Wort noch nicht gesprochen«, zischte er.
Diesmal gelang Shay ein Grinsen. Er spürte keine Schmerzen mehr und schien alles wie durch
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