Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leidenschaft in den Highlands

Leidenschaft in den Highlands

Titel: Leidenschaft in den Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
Vom Netzwerk:
Trainer geworden. Jeden Morgen, kurz nach dem Aufstehen, und jeden Abend, kurz bevor sie zu Bett ging, war er mit ihr in den Hof gegangen, um mit ihr zu trainieren. Zu Anfang hatte sie viele blaue Flecken davongetragen. Vater hatte wenig Rücksicht auf ihre Unversehrtheit genommen. Nie hatte er es jedoch so weit kommen lassen, dass sie ernstlich verletzt wurde.
    »Der Schmerz schult deine Sinne«, war der einzige Trost gewesen, den er ihr gab, wenn sie sich wieder eine Beule zugezogen hatte und ihr die Tränen in den Augen standen. Viel später hatte sie den Sinn seiner Worte erkannt. Ihre Reflexe waren schneller geworden. Bald schon konnte sie geschickt Angriffen ausweichen, sich ihnen kraftvoll entgegenstellen. Ihr Körper lernte, Schmerz zu verhindern.
    Aye, er hatte sie zu einer Kämpferin gemacht.Zugleich hatte er ihr eingebläut, dass ein Kämpfer seine Ausbildung niemals abschloss. Er musste immer trainieren, sich verbessern, die nächste Stufe seiner Kampfkunst erreichen. Und nun, da er sie gebraucht hätte, hatte ihr Schwert ihn nicht schützen können.
    Avery spürte einen sanften Stoß in ihrem Rücken und ein heißes Schnauben im Nacken, das sie kitzelte. Als sie sich umdrehte, sah sie ihre Fuchsstute Wanda, die den Kopf schelmisch zur Seite wandte und Avery aus ihren großen braunen Augen treu anblickte.
    »Wenn ich nur wüsste, was passiert ist«, flüsterte Avery und streckte die Hand aus, um über Wandas Blesse zu streicheln.
    Langsam erhob sie sich, um nach Spuren zu suchen. Das Gras war an einigen Stellen zerdrückt. Entweder hatte hier ein Kampf stattgefunden, oder ihr Vater hatte noch versucht, Hilfe zu holen, bevor er starb.
    Sie entdeckte verschiedene Fußspuren im Sand, die sich jedoch rasch verloren. Sie fand keine Kugel. Die musste also noch immer im Körper ihres Vaters stecken. Wahrscheinlich hatte sie von hinten sein Herz durchbohrt. Ihr schwindelte. Welch eine Feigheit, jemanden von hinten zu erschießen! Kein ehrbarer Krieger käme auf diesen Gedanken.
    Die Bastarde, die für diese schreckliche Tat verantwortlich waren, würden den Zorn der MacBaines zu spüren bekommen. Das schwor sie sich.
    Avery nahm die Decke von Wandas Rücken, legte sie auf die Wiese und wickelte ihren Vater darin ein, was sich schwieriger gestaltete, als sie gedacht hatte.
    Nachdem sie damit fertig war, versuchte sie, ihn hochzustemmen und unter Aufbringung all ihrer Kräfte auf ihren Rücken zu hieven.
    Der erste Versuch misslang. Der Körper ihres Vaters drückte sie förmlich zu Boden. Er war einfach zu schwer. Stöhnend sank sie auf die Knie.
    Vielleicht war es besser, wenn sie Hilfe holte. Ein oder zwei Männer würden gewiss genügen. Doch sie fürchtete, jemand könne ihn in ihrer Abwesenheit finden. Oder die Krähen würden ihn gänzlich auffressen.
    Nach einer kurzen Atempause biss sie die Zähne fest zusammen und stemmte sich ein zweites Mal hoch. Dieses Mal gelang es ihr, sich aufrecht zu halten. Doch sie stand auf äußerst wackeligen Beinen. Die wenigen Schritte bis zu ihrer Stute verlangten ihr alles ab. Sie schwitzte unter ihrem schottischen Bonnet so stark, dass ihr der Schweiß in die Augen tropfte und ihre Sicht verschleierte.
    Ein lauter Schrei drang aus Averys Kehle, als sie William MacBaines Leichnam auf den Rücken der Stute hievte, die aufgeregt unter der Last schnaubte und mit den Hufen scharrte.
    Nach dem Kraftakt hielt sie sich erschöpft mit einer Hand an den Zügeln fest. Auch wenn ihr Vater kein vollleibiger Mann gewesen war, sorgten seine Muskeln doch für ein ordentliches Gewicht. Als sie wieder zu Kräften kam, ging sie voran und führte Wanda hinter sich her.

    Avery gelang es, ihren Vater erst über die Felder, dann unbemerkt durch das Dorf in die Burg zu bringen und mit Hilfe einiger Männer in der Kapelle aufzubahren. Sie dachte fieberhaft darüber nach, wie sie ihrer Mutter beibringen sollte, dass Vater nicht mehr lebte – dass er ermordet worden war.
    Die Liebe ihrer Eltern zueinander war über die Jahrzehnte hinweg immer stärker geworden, nachdem sie aus politischen Gründen geheiratet hatten, um den Clan der MacLeons mit dem der MacBaines zu einen.
    Avery hatte die Liebe in Vaters Augen gesehen, wenn er Kenlynn angeblickt hatte. Und Mutters Lächeln hatte verraten, dass sie genauso empfand wie er. Eine aufrichtige, tiefe Zuneigung. Wenn sie Mutter zum Einkaufen ins Dorf begleitet hatte, hatte sie oft erzählt, wie sehr sie sich einen Mann wie Vater für Avery wünschte,

Weitere Kostenlose Bücher