Leidenschaft in den Highlands
Hände über ihrem Schwert zusammen und reckte ihr Kinn noch weiter hoch.
»Nay. Das ist eine Frau«, sagte MacCallen überzeugt, und sein Blick blieb auf ihren Brüsten haften. »Die MacBaines scheinen ihre eigenen, absonderlichen Regeln zu haben.«
»Dass ich eine Frau bin, habt Ihr trefflich erkannt. Ihrmüsst sehr scharfsinnig sein. Umso mehr erstaunt mich, dass Euer Scharfsinn nicht so weit reicht zu erkennen, dass man einen Besuch besser vorher anmeldet. Sonst besteht immer die Gefahr, dass derjenige, den man besuchen möchte, gar nicht zu Hause ist.«
Das Lächeln verschwand abrupt aus seinem Gesicht. Er nickte und kraulte nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger seinen Bart. »Du hast recht, Weib. Bevor man jemanden besucht, sollte man einen Zeitpunkt vereinbaren, zu dem man sich trifft. Das klingt fortschrittlich und wohlüberlegt.«
»Aye!«
»Zu dumm nur, dass ich genau das getan habe. Ich frage mich, welche Angelegenheit MacBaine so wichtig ist, dass er unseren Termin vergisst?«
Verflucht. Der Laird verdrehte alles so, dass es nun aussah, als hätte ihr Vater ihn versetzt. Aber er wusste ja nicht, was William MacBaine zugestoßen war. Während sie nach einer guten Antwort suchte, drehte er den Kopf leicht zur Seite, so dass sie ihn das erste Mal im Profil sah. Sein Kiefer war mächtig, auffällig kantig, und durch die Barthaare hindurch schimmerte eine lange Narbe.
An und für sich war eine solche Narbe nichts Ungewöhnliches. Sie hatte schon Hunderte von ihnen gesehen. Viele Männerkörper waren übersät mit Verletzungen, die sie sich in wilden Kämpfen zugezogen hatten. Sie trugen sie mit Stolz zur Schau, konnten sie doch auf diese Weise eine gute Geschichte erzählen und die jungen Frauen beeindrucken.
LairdMacCallens Narbe reichte von seinem Auge bis zum Mundwinkel. Sie war sichelförmig. Ein Exemplar, dessen Geschichte sie brennend interessierte. Wer hatte sie ihm zugefügt? Und warum?
Avery schüttelte den Kopf. Sie hatte plötzlich das Gefühl, all das schon einmal erlebt zu haben. Nay, dieses Gefühl bezog sich nicht auf die Situation, sondern vielmehr auf die Frage nach der Geschichte seiner Narbe. Diese Frage hatte sie sich schon einmal gestellt. Damals, an dem kleinen See Lor.
Aber – dies konnte unmöglich derselbe Mann sein!
Und doch hatte er etwas an sich, das ihr vertraut erschien. Der muskulöse Körper, die Art, wie er sich bewegte, kraftvoll, raubtierhaft, erinnerten sie an ebenjenen Fremden, der diesen wohligen Hitzeschwall in ihr heraufbeschworen hatte. Nur war ihr mutiger Retter von damals nicht von dieser finsteren Aura umgeben gewesen, die sie innerlich erzittern ließ.
Wenn sie sich den Bart nun wegdachte – Himmel! – dann war die Ähnlichkeit erschreckend. Zugegeben, er war ein wenig gealtert. Nach fünf Jahren hätte sie alles andere erstaunt.
»Es handelt sich … um eine familiäre Angelegenheit … Meine Schwester erwartet ein Kind«, stammelte Avery. Sie war mit den Gedanken nicht mehr bei der Sache. Stattdessen tauchte sie in jene liebgewonnene Erinnerung am See ab, die ihr oft Trost gegeben hatte, wenn sie, wie so oft, das Gefühl hatte, dass die Männer ihres Clans in ihr nicht die Frau sahen, die sie war.
»Eben sagtet Ihr noch, es sei etwas Geschäftliches.«
Er schien sich immer mehr über sie zu amüsieren. Während sie selbst immer nervöser wurde.
»Richtig. Er möchte meine Schwester besuchen und mit ihrem Ehemann geschäftliche Dinge besprechen. Es geht – um ein edles Reitpferd aus Arabien. Mein Schwager hat Kontakt zu einem Händler …«
»Soso. Was Ihr nicht sagt. Und wann erwartet Ihr den Chief zurück?«
»Oh … das kann ich Euch nicht sagen. Das steht noch gar nicht fest.« Avery hoffte inständig, dass er aufhörte, ihr all diese Fragen zu stellen, damit sie sich nicht noch tiefer in ihre Lügengeschichte verstrickte. Sie musste sich sammeln, ihre Gedanken ordnen. Aber wie sollte sie das, wenn er immer wieder nachbohrte?
»Nun gut, Stellvertreterin. Dann richtet Eurem Vater Folgendes aus: Ich bin hierhergekommen, um die mir zustehende Pacht einzutreiben, auf die ich nun mittlerweile drei Monate warte. An Geld dürfte es Chief MacBaine wohl nicht mangeln, wenn er sich einen teuren Araber zulegen möchte. Ich bin zwar ein äußerst geduldiger Mann, doch auch meine Geduld ist nicht unerschöpflich. Deshalb gewähre ich ihm drei weitere Wochen, in denen er seine Schuld bei mir begleichen kann. Es liegt ganz bei ihm. Doch
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