Leidenschaft in den Highlands
die Kraft besaß, ein Claymore zu führen. In seinen Augen gab es nur wenige gute Kämpfer. Unter ihnen befand sich keine einzige Frau.
Er ertappte sich dabei, wie er es bedauerte, dass sie ihn gar nicht wiedererkannt hatte. Er hingegen hatte sie nie vergessen, weil ihre Begegnung so sonderbar und doch amüsant gewesen war. Damals am See war sie auch schon widerspenstig gewesen und hatte, wenn er es recht bedachte, damit sein Interesse geweckt. Sie war ihm gefolgt, weil sie glaubte, er hätte ihre Schwestern beobachtet. Und wenn sie nicht nackt im Schilf gehockt hätte, wäre sie gewiss auf ihn losgegangen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen.
Ein leises Lachen entrang sich seiner Kehle. Sie war wirklich unverbesserlich und bereit, ein Risiko einzugehen. Solch ein Verhalten hatte er nie zuvor an Frauen beobachtet. An jungen Männern, denen die Ruhe des Alters fehlte – gewiss. Doch an Frauen? Aye, Avery war ganz und gar einzigartig. Wäre er damals nicht bereits verheiratet gewesen, hätte er gewiss versucht, sie zu erobern!
Wenn er sie richtig einschätzte, zog sie einen Kampf dem Abend in Gesellschaft am Hof, wo gelacht, geplaudert und musiziert wurde, vor. Es fiel ihm regelrecht schwer, sie sich auch nur in einem solchen Umfeld vorzustellen.
Sie sah auch nicht wie eine jener Frauen aus, die sich gern in edle Gewänder kleideten und Stunden mit dem Frisieren ihrer Haare zubrachten.
Das alles faszinierte ihn. Sie war anders. Vielleichtwar sie ihm sogar ähnlich. Er liebte das Abenteuer, den Kampf, ein gutes Ale zu jeder Tageszeit und die Freiheit der Highlands.
Ewan schüttelte den Kopf und stieß seine Fersen in die Flanken seines Pferdes, so dass es von sanftem Traben in einen wilden Galopp fiel.
Woher kamen nur all diese wirren Ideen? Man könnte meinen, er hätte zu viel Ale gesoffen! Schon lange hatte er sich keine Gedanken mehr über ein Frauenzimmer gemacht. Wurde er auf seine alten Tage sentimental? Nun gut, mit seinen 38 Lenzen konnte er keinen Methusalem beeindrucken, doch manches Mal fühlte er sich, als sei er bereits weit über 100.
Er hatte mit Dirnen geschlafen, die sich ihm an den Hals geworfen hatten, doch nie hatte er eine von ihnen länger in seiner Nähe geduldet, als es für den Beischlaf nötig war. Dabei waren es oft schöne, begehrenswerte Frauen gewesen. Liebreizende Geschöpfe mit vollbusigen Leibern, sinnlichen Lippen und keckem Augenaufschlag. – Doch sie alle konnten ihm nicht das geben, wonach er suchte.
Wahrscheinlich weil er selbst nicht so genau wusste, was ihm fehlte. Sehnte er sich womöglich nach mehr als einem flüchtigen Abenteuer? Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, musste er über sich selbst lachen. Er war ein hervorragender Kämpfer, ein tödlicher Gegner und, wenn man den Leuten glaubte, die in den Tavernen bei Ale und Whisky über ihn sprachen, ein ungerechter Bastard, der keinem Gegner Gnade gewährte. Kurzum: ein gefährlicher Mann!
Er zog die Gefahr an, und er brachte andere in Gefahr, ganz besonders Frauen. Nicht, weil er sie mit dem Schwert bedrohte, etwas Derartiges käme ihm niemals in den Sinn. Auch wenn die Leute ihm die tollkühnsten Dinge zutrauten, war er doch zumindest in einer Beziehung ein Mann der Ehre, nämlich dann, wenn es um Frauen ging.
Sie waren in seinen Augen kostbar, weil sie so viel Güte in sich trugen, und schützenswert in ihrer Schönheit und Zerbrechlichkeit. Aber ebendiesen Schutz, den jede Frau verdiente, konnte er nicht bieten, weil er zu viele Feinde hatte. Durch seine Position war jede Frau an seiner Seite gefährdet. Sie war seine Schwachstelle, und seine Gegner konnten ihm gezielt schaden, indem sie ihr Leid zufügten.
Elisabeth hatte dieses Schicksal ereilt. Für ihren Tod war allein er verantwortlich. Der Wind brannte in seinen Augen, und er kniff sie rasch zusammen, um die aufkeimende Feuchtigkeit zurückzudrängen. Am Ende dachten seine Männer noch, er würde wie ein altes Weib heulen!
Dann tat er das, was er immer tat, wenn der Schmerz so stark wurde, dass er ihn nicht anders zurückdrängen konnte: Er löste eine kleine Flasche von seinem Gürtel und kippte den Alkohol die Kehle hinunter.
Es war nicht lange her, da hatte er ein anderes Leben geführt. Ein besseres, das nicht von jenem schwarzen Schleier umhüllt war, durch den er die Welt nun sah.
Er erinnerte sich an jenen Tag, als er nach Hause zurückkehrte. Welch Hochgefühl es gewesen war, wieder in derHalle von Castle Stonewall zu wandeln und all die
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