Leidenschaft in den Highlands
für sie von Vorteil sein.
Eine halbe Stunde später saß Avery noch immer mutterseelenallein in der Halle. Nicht einer der Chieftains hatte sich dazu bequemt, zur Versammlung zu erscheinen. Vielleicht hatten die Männer ihre Nachricht gar nicht bekommen? Sie hatte einem Burschen aufgetragen, sie zu informieren. Aber womöglich hatte der sich nicht getraut, die Chieftains zu wecken.
Während sie noch grübelte, trat Brian durch die Tür, gefolgt von ebenjenem Burschen, der ihm den Weg zur Tafel mit einer ausladenden Handbewegung wies, ehe er selbst mit einer angedeuteten Verbeugung verschwand.
Avery erhob sich von ihrem Stuhl und musterte Brian fassungslos. Er konnte unmöglich der Einzige sein, der ihrer Einladung folgte!
»Sie schneiden mich. So ist es doch, oder?«, fragte sie erzürnt und ging dem alten Freund ihres Vaters einige Schritte entgegen.
Dieser hob beschwichtigend eine Hand und schüttelte den Kopf. »Mal den Teufel nicht an die Wand. Es ist alles ganz anders, als du denkst.«
»So? Da bin ich aber gespannt.«
Sie blieb auf halber Strecke stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete, bis Brian sie erreicht hatte. Als er vor ihr stand, wurde sie zum ersten Mal dessen gewahr, dass sie den alten Chieftain um einen halben Kopf überragte.
Es musste ein merkwürdiges Gefühl für ihn sein, zu ihr hochzublicken. Für sie war es jedenfalls ungewohnt. Die meisten Männer waren zwar nicht größer als sie, zumindest aber auf derselben Augenhöhe.
Sie mochte Brian. Er strahlte stets etwas Freundliches und Würdevolles aus. Zwar war er ein harter Kerl, der eine derbe Sprache sprach, aber jedermann wusste, dass er das Herz auf dem rechten Fleck hatte.
»Als du uns gestern Abend verlassen hast, ging die Besprechung noch weiter.«
Avery zog die Luft durch ihre Zähne ein. »Aber ich sagte doch, dass wir die Abstimmung vertagen.«
»Zunächst hatten das auch alle vor, denn die Gespräche haben sich immer wieder im Kreis gedreht. Doch dann haben wir alle noch mal gründlich nachgedacht.«
Es fiel Avery schwer, ihre Skepsis zu verbergen, denn ›nachdenken‹ konnte alles Mögliche bedeuten.
»Und? Hat es etwas genutzt? Seid ihr daraufhin zu einer Entscheidung gekommen?«
Brian nickte ernst. »Ich wurde gebeten, dir davon zu erzählen.«
»Während die Chieftains noch gestern Nacht die Heimreise angetreten haben.«
»Wo denkst du hin? Die alten Suffköpfe liegen mit ihren dicken Brummschädeln sicher noch in den Betten. Die haben sich gestern noch mal derart volllaufen lassen, als müssten sie persönlich die nächste Sintflut verhindern. Diese Helden!«
Brian lachte, dass es schallte. »Ich selbst hätte dem Jungen, der mich wach bekommen sollte, fast ein blaues Augeverpasst, so wie der mich durchgerüttelt hat. Sein Glück, dass mir noch rechtzeitig eingefallen ist, dass der Knirps auch nur seine Arbeit macht, sonst hätte ich meine Faust wohl doch nicht mehr rechtzeitig stoppen können.«
Brian lachte erneut.
»Schön und gut, was habt ihr nun entschieden?«, drängte Avery.
Brian wurde wieder ernst. »Ich vermute, es wird dir nicht gefallen«, sagte er und senkte den Blick.
Jeder Muskel in Averys Körper spannte sich an. Sie ahnte längst, dass die Chieftains sie nicht wollten. Das hatten einige schon am Abend zuvor nur zu deutlich gemacht.
»Sprich. Wie lautet die Entscheidung?«, sagte sie ungehalten, denn sie wollte es endlich hinter sich bringen. »Hat sich Amus durchgesetzt?«
Brian schüttelte den Kopf. Dann grinste er von einem Ohr bis zum anderen. »Sie haben sich für dich entschieden.«
Averys Gesicht hellte sich mit einem Mal auf. Wie war es nur zu diesem Sinneswandel gekommen? Sie hätte vor Freude in die Luft springen mögen. »Ist das wirklich wahr?«
»Sie haben letztlich auf deinen Vater gehört. Auch wenn ihnen das nicht wirklich gefiel.«
Das holte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie vertrauten also nicht ihr. Sie beugten sich nur dem Willen Williams. »Was bedeutet das?«
»Nichts, außer das die verdammten Sturköpfe endlichzur Besinnung gekommen sind. Einen Haken hat das Ganze aber.«
»Welchen?« Sie lief unruhig auf und ab. »Soll ich mich als Mann verkleiden?«
Brian hob verdutzt eine Augenbraue und lächelte. »Das hätte ich vorschlagen sollen. Ich hätte nur zu gern die Gesichter der Chieftains gesehen.«
»Spann mich nicht auf die Folter. Was verlangen sie?«
Brian beruhigte sich, straffte die Schultern und blickte sie
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