Leidenschaft in den Highlands
besser an als dieses schreckliche Kleid. Neben ihr wuchtete sich ihr ständiger Begleiter über den Hof. Sie sah dem Hünen, der selbst MacCallen um einen Kopf überragte, an, dass er nicht gerade begeistert davon war, ihren Aufpasser zu spielen. Ihr ging es nicht anders. Dieser breitschultrige Klotz würde jeden Fluchtversuch im Keim ersticken.
Der Stall lag im Burghof. Schon aus der Ferne roch es streng nach Tier, und je näher sie ihrem Ziel kamen, desto schlimmer wurde es.
Ihr Aufpasser öffnete die Stalltür und schob sie hinein. »Beeil dich«, grollte er. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Dann knallte er die Tür hinter ihr zu und lehnte sich schwungvoll von außen dagegen. Das gesamte Gebäude knarrte und ächzte verdächtig, als würde es jeden Augenblick zusammenstürzen.
Vorsichtig ging sie ein paar Schritte hinein und blickte sich um. Durch die Spalten zwischen den einzelnen Brettern fiel gerade so viel Sonnenlicht, dass sie das Innenleben des Stalles erkennen konnte. Die Boxen warenzu dieser Tageszeit leer. Kein Wunder. Bei schönem Wetter standen die Tiere auf der Weide.
Die Luft war schwül und dick. Überall roch es derart penetrant nach Kot und Urin, dass sogar ihr Schweißgeruch vom morgendlichen Training übertüncht wurde. Widerlich!
Sie musste würgen. Wie hielten es die armen Tiere nur in diesem Loch aus? Und warum stellte MacCallen keinen Stallburschen ein, der sich verdammt noch mal um seine Pferde kümmerte?
Avery kniff sich die Nase zu und ging zu der Schubkarre, neben der eine Mistgabel am Boden lag. Wenigstens gab es brauchbares Werkzeug, um den Unrat zu beseitigen. Sie hatte schon befürchtet, mit bloßen Händen anpacken zu müssen.
Seufzend machte sie sich ans Werk. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sie eines Tages den Dreck der Tiere wegkehren würde! Sie ging durch die Stallgasse, um die erste Box in Angriff zu nehmen. Da spürte sie etwas Weiches, das unter ihrem dünnen Schuh nachgab.
Oje, nicht auch das noch. Ein frischer Pferdeapfel, den eines der Tiere auf dem Weg nach draußen fallen gelassen hatte! Das fing ja gut an.
Verärgert lehnte sie sich gegen eine Schiebetür, zog den Schuh aus und versuchte, das platt gedrückte Exkrement mit einem Heuhalm zu entfernen. Was nicht ganz einfach war, da der Pferdeapfel zäh an ihrer Sohle klebte. Er wollte sich einfach nicht abkratzen lassen.
Als sie schließlich zurück in die Box stapfte und anfing, die Schubkarre mit Mist zu beladen, hatte sie es immerhingeschafft, den Schuh so weit zu säubern, dass kein strenger Geruch mehr von den eigenen Füßen hochzog. Es reichte ja schließlich, den Kot mit der Gabel zu hieven!
Von nun an machte sie einen Bogen um den Haufen, in dem ihr Abdruck prangte, und strich mit der Sohle ihres Schuhs immer wieder über das Heu, um die letzten Reste nach und nach abzustreifen.
Nachdem die erste Box sauber war, legte sie eine kurze Pause ein, ging einmal den Gang hoch und wieder hinunter, während sie ihre Arme ausschüttelte. Bei der vorletzten Box blieb sie stehen. An ihrer hinteren Wand hing ein grauer Stofffetzen, der lose mit zwei Nägeln angebracht war.
Sie sah sich vorsichtig um. Ja, sie war ganz alleine. Sie ging in die Box hinein. Dann bückte sie sich, hob den Stoff hoch und fand tatsächlich, was sie erhofft hatte: ein Loch in der Wand, durch das vielleicht kein ausgewachsener Krieger ins Freie schlüpfen konnte, womöglich aber jemand, der von zierlicher Statur war. Sie schätzte allerdings, dass ihre Schultern zu breit wären. Vielleicht konnte sie das Loch irgendwie vergrößern? War dies ihr Weg in die Freiheit? In ihrem Kopf spielte sie mehrere Fluchtszenarien durch, die jedoch alle vor dem bewachten Burgtor scheiterten.
Da vernahm sie auf der anderen Seite der Wand plötzlich Stimmen. Vorsichtig steckte sie ihren Kopf durch das Loch und prallte mit der Stirn um ein Haar gegen Rowans Beine, der dort mit einem breitschultrigen Mann stand, den sie nicht kannte.
Erschrocken zog sie den Kopf wieder ein.
»Aye. Wir brechen gleich nach Neviston auf. Ich habe für heute genug vom Chief. Aber vorher möchte ich noch jemandem ein Abschiedsgeschenk geben«, sagte der Unbekannte.
Ein finsteres Lachen erklang, gefolgt von Schritten. Plötzlich hörte sie ein Rumpeln und einen unterdrückten Fluch, der sich nach ihrem Aufpasser anhörte, gefolgt von einem Schlag. Dann ging die Stalltür auf, und drei Männer traten ein. Sie kannte sie alle, diese grässlichen
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