Leidenschaft in Rot
übernachten und morgen früh wieder hierherkommen könnten.«
Sie zögerte vier Sekunden. »Wenn du endlich mal was gegen dieses grauenhafte Schnarchen unternehmen würdest, zu einem Arzt gehen oder so, dann müßten wir das nicht jedesmal mitmachen.«
»Myra, ich gebe offen zu, daß ich ein bißchen schwer atme.«
»Ein bißchen schwer! Wenn du loslegst, dann rennen die Nachbarn in die Nacht hinaus und rufen ›Der Löwe ist los!‹«
»Nur wenn ich mich auf den Rücken drehe, Liebling.«
»Dann hast du auf beiden Seiten einen Rücken. Wie dem auch sei, mein Schatz, ich werde in dieser Bergluft so gut schlafen, daß du mich, glaube ich, heute nacht nicht stören wirst. Aber versuche bitte, es bei einem gedämpften Brüllen zu belassen.«
»Du tust, als würde mir das Spaß machen.«
»Weil es sich anhört, als würde es dir Spaß machen, mein Bärchen.«
Ein Auto bog ein, und ich fürchtete, wir würden das Zimmer verlieren, wenn wir das Spiel zu Ende spielten. Ich ging also hinein und trug uns als T. McGee und Gattin ein. Die beiden Dreiviertelbetten schienen den Raum auszufüllen. Wir mußten uns unaufhörlich höflich umeinander drehen und wenden, bis wir uns eingerichtet hatten. Mit einem raschen Gang zur Eismaschine und beachtlicher Zauberkraft brachte sie einen breiten, flachen Silberbecher mit genau der richtigen Menge Gin und den beiden Tropfen Wermut zum Vorschein.
»Ist das die Promibehandlung?« fragte ich taktlos.
»Ich wollte nicht aus der Übung kommen.«
»Ah, so ... danke. Schmeckt gut.«
»Wirklich keine Ursache, Travis.«
Wir kamen zu dem Schluß, das beste sei es, wenn sie an Ort und Stelle bliebe, während ich Carl Abelle einen ersten Besuch abstattete. Die Mohawk Lodge lag sieben oder acht Meilen außerhalb an der Indian Lake Road und war über eine eindrucksvoll steile Bergstraße zu erreichen. Das Gelände lag im Glanz von Flutlichtern mitten im Schnee. Das Gebäude war auffallend neu und aus matt lackiertem Fichtenholz erbaut, mit Kreuzbalken und Schweizer Giebeln. Ein Schild warb mit drei Schleppliften, acht Abfahrten, Unterricht, Anfängerpiste, isländischer Sauna, erstklassigen Steaks und Cocktails. Der ganze Schuppen war laut und platzte aus den Nähten. Überall herrschte ein Kommen und Gehen und Kichern und Johlen.
Ich bahnte mir den Weg in einen Raum, bei dem es sich um die Hauptlounge zu handeln schien. In dem Kamin aus Feldsteinen hätte man einen Ochsen braten können. Die Decke war niedrig und wurde von gewaltigen Balken getragen. Es gab eine Menge überbesetzter Couches und Sessel, und auf dem Boden lagen dicke Teppiche. Dort schien es sich eine große Zahl junger Leute bequem gemacht zu haben. Ich sah mehrere Beine in Gips und Arme in Schlingen. Schwitzende Kellner schleppten Drinks von einer Bar in der Ecke herum, stiegen über die Leute und um sie herum und ignorierten beharrlich die Rufe nach Bedienung. Aus einer großen Stereojukebox plärrte laute Beatlesmusik, und einige Skihasen in engen Freizeithosen anstatt in Skiklamotten versuchten mit aller Kraft, den Twist zu neuem Leben zu erwecken.
Ich kämpfte mich zu einem Kellner durch und stopfte ihm einen Schein in die Hemdtasche. Das erkaufte mir vier Sekunden seiner Aufmerksamkeit. »Carl Abelle«, fragte ich.
Er deutete mit dem Kopf. »Rotes Jackett.«
Abelle lehnte an einer holzverkleideten Wand. Er trug einen roten Blazer mit Olympiawappen und silbernen Knöpfen und einen weißen Seidenschal. Er stand mit geneigtem Kopf da, in jedem Arm einen reizenden kleinen Skihasen. Eine von beiden sagte ihm etwas direkt ins Ohr. Sie wand sich und zog ein komisches Gesicht wie eine Frau, die einen dreckigen Witz erzählt. Ich wartete ab, bis sie ihre Pointe losgeworden war. Silberhelles Gelächter von den Mädchen. Ein Hohoho von Abelle. Ich trat dazu, und die drei schauten mit dem höflichen Blick zu mir auf, den Eingeweihte einem Außenseiter schenken. Ich trug nicht die richtige Kleidung.
Die Mädchen sahen sehr jung aus, und der Aufenthalt im Freien hatte ihnen eine hübsche, gesunde Farbe verliehen. Ihre Augen jedoch wirkten verschlagen und alt. Carl sah großartig aus. Ein braungebrannter, blonder Held mit weißen Zähnen und blitzenden Augen. Trotzdem wirkte alles irgendwie wie geschminkt. Und trotz des hervorragenden Schnitts seiner Kleidung schien er in der Mitte ein bißchen rundlich zu werden.
»Abelle?«
»Ja?«
»Ich soll Ihnen etwas von Ihren Freunden ausrichten.«
»So?«
»Von Cass. Von Vance
Weitere Kostenlose Bücher