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Leidenschaft in Rot

Leidenschaft in Rot

Titel: Leidenschaft in Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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ohne Vorwarnung von einem wahnsinnig netten Kerl zu Brei gequetscht werden, körperlich oder seelisch. Es ist reine Glückssache. Ich hielt mich nicht für einen netten Kerl. Seine rote Jacke war mir ein bißchen zu protzig und prächtig. Jetzt wirkte sie wie ein Kinderspielzeug am Strand, nachdem das Kind ertrunken ist. Der hier war kein Unhold, nur ein dummer Angeber. Eine Skipisten-Version von Harry Diadem, und zwar eine weniger tückische, einfach ein Spezialist für Rennwachs und erogene Zonen.
    Ich fuhr nach Speculator hinein und hielt nach einer Stelle Ausschau, wo ich ihn abladen konnte. Die Schneewehen machten es mir nicht gerade leicht. Ich bog nach Westen auf die Route 8 ab und entdeckte nach etwa einer Meile auf der rechten Seite ein unbeleuchtetes Gebäude, eine Art Lager für Baumaterialien. Die Zufahrt und der Parkplatz auf der Rückseite waren vom Schnee geräumt. Die umstehenden Häuser waren dunkel. Im Schein der weit auseinanderstehenden Straßenlaternen der Ortschaft konnte ich keinen Fußgänger ausmachen. Im Augenblick kam aus keiner Richtung Verkehr, und ich bog hastig ein. Dabei geriet das Heck ins Schleudern und knallte gegen eine Schneewehe. Auf dem Parkplatz schaltete ich sofort die Lichter aus. Ich parkte den Wagen hinter dem Gebäude, mit der Schnauze zur Ausfahrt, damit ich sofort losfahren konnte. Rasch stieg ich aus und schaute mich um, ob ich irgendwelche Aufmerksamkeit erregt hatte. Der Schnee hatte einen Mantel der Stille über das Land gebreitet. Ein Hund bellte, in beruhigender Entfernung. Der Nachthimmel funkelte silbern. Silhouetten von kahlen Bäumen. Flüchtiges Aufflackern von Scheinwerfern, wenn Autos vorüberfuhren. Es war etwa zehn Grad unter Null, schätzte ich, nicht allzu unangenehm, wenn kein Wind wehte.
    Ich öffnete die Tür auf seiner Seite. Er kam langsam wieder zu Bewußtsein, schaffte es aber nicht, das Gleichgewicht zu halten, und rollte aus dem Wagen auf die hart verkrustete Schneedecke. Ich bückte mich, stützte mich gut ab und wuchtete ihn mit seinen gesamten zweihundertzwanzig Pfund in die Höhe, wobei ich mir Mühe gab, mir die Anstrengung nicht anmerken zu lassen. Ein erwachsener Mann wird nur selten hochgehoben. Das weckt vergessene Erinnerungen an die frühe Kindheit in ihm. Es vermittelt ihm ein Gefühl der Hilflosigkeit. Ich schleppte ihn vier Schritte weit und ließ ihn dann, Arsch voran wie auf einen Sessel, auf einen einsfünfzig breiten Schneehaufen fallen, den das Räumfahrzeug hier zusammengeschoben hatte. Er sackte darauf zusammen und rutschte ein Stück zurück; die Füße in der Luft, die Knie angezogen. Die verschnürten Handgelenke verhinderten, daß er sich aufrichten konnte. Er war so wehrlos, wie ein Mann nur sein kann.
    Er schüttelte benommen das prächtige Löwenhaupt. »Mir ist schlecht. Richtig schlecht. Bitte«, sagte er.
    Sobald etwas an die Klischees aus Fernsehen oder Kino erinnert, versuchen sie, irgendwie in die Heldenrolle zu schlüpfen. Besser man gibt dem Ganzen einen Dreh, den sie nicht kapieren. Bullen sind darin Meister. Auf die witzige Tour. Bei den Bullen kann man sich eine ganze Menge abgucken.
    Ich trat dicht an ihn heran, streckte die Hand aus und wuschelte ihm mit beiläufiger Zärtlichkeit durch die blonden Locken, wie man es bei einem kleinen Jungen macht. Ich kicherte. Ich tätschelte ihm dreimal die Wange, und beim viertenmal mit etwas mehr Dampf dahinter. Es war keine Ohrfeige, aber auch kein Tätscheln mehr. Es war eine strenge Ermahnung, aufzupassen. Paß auf den Lehrer auf, Kleiner.
    Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Ich konnte ihn deutlich sehen. Es war alles viel zu schnell für ihn gegangen. Er starrte mich dümmlich an, bereit, gut Wetter zu machen. Das war genau die richtige Einstellung. Eine billige Blechschachtel mit einem lachhaften Schloß, die sich bei der ersten Berührung geöffnet hatte.
    »Carl, Baby, Lee ist über tausend Meilen weg von hier, und sie würde nicht mal Hallo sagen, wenn sie dir auf der Straße begegnet.«
    »Was haben Sie ...«
    »Es ist ziemlich viel Geld in Lee investiert worden. Die Leute, für die ich arbeite, machen sich große Sorgen um sie. Verstehst du das, Carl, Baby?«
    »Ich weiß gar nicht, was Sie ...«
    »Sie sind echt wütend auf dich, Süßer. Du hast dich sehr dumm verhalten und bist sehr böse gewesen. Und damit hast du ihre Investition aufs Spiel gesetzt. Du hättest dich nicht mit Leuten einlassen sollen, die Lee Ärger machen wollten. Du

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