Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
…«
»Aber welches Motiv sollte der Arzt denn gehabt haben?«, warf der Kriminalbeamte dazwischen.
»Genau das ist der springende Punkt, Wolf. Könnte es nicht sein, dass Joop van der Miel sich dem Teamarzt anvertraut hat?«
»Du meinst, er hat ihm gebeichtet, dass er für Europol arbeitet? Und Dr. Schneider hat ihn deshalb ermordet?«
»Ja, das könnte doch sein«, murmelte Sabrina.
Tannenberg schüttelte energisch den Kopf. »Das glaubst du doch selbst nicht. Für solche schmutzigen Jobs haben diese Mafiosi schließlich ihre Handlanger. Außerdem: Warum sollte Joop das tun? Warum sollte er dieses unnötige Risiko eingehen und jemandem von seiner Spitzeltätigkeit berichten? Er wusste doch nicht, ob nicht vielleicht gerade Dr. Schneider mit diesen Verbrechern unter einer Decke steckte. Was meines Erachtens durchaus auf der Hand liegt, denn das systematische Doping ist garantiert über den Teamarzt gelaufen, über wen denn sonst?«
»Wieso haben die Dopingkontrolleure dann nichts entdeckt?«
»Weil diese Mittel mit den gängigen NADA-Verfahren nicht nachweisbar sind.«
»Vielleicht war Dr. Schneider die Vertrauensperson, die über Joops schleichende Arsenvergiftung Bescheid wusste.«
»Sabrina, ich fürchte, ich verstehe nicht so recht, worauf du eigentlich hinauswillst.«
»Ganz einfach: Dr. Schneider hat Joop van der Miel über dessen lebensbedrohliche Vergiftung informiert. Nach einem ersten, verständlichen Schock hat diese Tatsache Joop dazu bewogen, seinen Arbeitgeber zu erpressen. Vielleicht, weil er Geld für eine kostspielige Therapie brauchte.«
»Ja, gut, von mir aus. Aber was hat das mit dem Mannschaftsarzt zu tun?«
»Nehmen wir einmal an, Dr. Schneider hätte eigene Pläne gehabt.«
Tannenberg blieb abermals stehen und fixierte seine Mitarbeiterin mit einem verständnislosen Blick. »Weiß immer noch nicht, was du meinst. Welche eigenen Pläne?«, fragte er mit geschürzten Lippen.
»Vielleicht hatte Dr. Schneider schon seit Monaten vor, sein Insiderwissen teuer an die Medien zu verkaufen. Wer weiß, vielleicht hatte er darüber hinaus sogar einen Deal mit der Staatsanwaltschaft im Auge, der ihm Straffreiheit verschaffen sollte, wenn er sich als Kronzeuge zur Verfügung stellt. Er hatte alles perfekt geplant. Der geeignete Zeitpunkt für solch eine finanziell sehr einträgliche Selbstinszenierung, nämlich der Start der Tour de France, stand unmittelbar vor der Tür. Und dann passiert ihm Folgendes: Ausgerechnet jetzt will plötzlich ein anderes, ebenfalls bestens informiertes Mitglied des Turbofood-Teams seine brandheißen Informationen an die Medien verkaufen.«
Mit offenem Mund hatte Tannenberg zugehört. Er schob die Brauen zusammen und knetete nachdenklich sein Kinn. »Du meinst, dass Dr. Schneider mit diesem Mord einen Konkurrenten aus dem Weg räumen wollte?«
»Genau so lautet meine Hypothese«, erwiderte die Kommissarin und zeigte ihr charmantestes Lächeln.
»Nicht uninteressant, muss ich wirklich sagen«, lobte ihr Chef. »Und Dr. Schneider wiederum wurde Opfer seiner eigenen Geldgier?«
Sabrina nickte. »Auf irgendeinem Wege werden seine Mörder von dem geplanten Verrat erfahren haben.«
»Es könnte durchaus so gewesen sein. Warum eigentlich nicht?« Wolfram Tannenberg nagte auf seiner Unterlippe herum und legte dabei den Kopf schief. »Doch wie hängt die Ermordung des Sportjournalisten Torsten Leppla mit alldem zusammen?«
»Gute Frage«, meinte Sabrina. Ihre Augen strahlten geradezu vor Freude. »Aber auch dazu hätte ich eine Idee.«
»Ich höre.«
»Joop van der Miel hat sich – aus welchen Gründen auch immer – an einen Lokal-Journalisten derjenigen Zeitung gewandt, in deren Verbreitungsgebiet das geplante Abschluss-Trainingslager des Turbofood-Rennstalls stattfinden würde. Vielleicht haben sich die beiden schon vorher …« Sie brach ab und wiegte den Kopf hin und her. »Nein, wenn ein solches persönliches Treffen tatsächlich stattgefunden haben sollte, dann wohl eher hier bei uns, als irgendwo sonst. Denn sein brisantes Material wird Joop bestimmt erst auf den letzten Drücker aus der Hand gegeben haben.«
»Wohl eher die Kopien des Materials. Die Originale wird er garantiert behalten haben«, wandte Tannenberg ein.
»Ja, sicher.«
»Das würde allerdings bedeuten, dass die Unterlagen mindestens zweimal vorhanden sein müssten.«
»Beziehungsweise vorhanden waren. Ich denke, wir müssen leider davon ausgehen, dass die Täter
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