Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Alpen- und Pyrenäenpässe kommen lässt.«
Er zeigte auf den Medikamentencocktail auf seinem Nachttischschränkchen. »Ohne diese kleinen Wunderpillen da käme ich noch nicht einmal mehr diese läppischen Mittelgebirgshügel in einer ansprechenden Zeit hinauf.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, mein lieber Florian, es ist zwar eine sehr harte Erkenntnis, aber mein Körper steckt diese Belastungen bei Weitem nicht mehr so locker weg wie früher.«
»Wie lange dopst du denn schon?«
»Florian«, versetzte Heiko Bolander in scharfem Ton. »Vergiss sofort dieses Wort! Sprich es nie wieder aus! Das ist wirklich ein gut gemeinter Rat unter Freunden. Du solltest ihn unbedingt beherzigen. Streiche am besten diesen Begriff völlig aus deinem Wortschatz und rede nur noch von deinen Medikamenten.«
»Okay, mach ich«, versprach Florian, obwohl er sich überhaupt nicht sicher war, ob er dies tatsächlich wollte. »Hattest du eigentlich nie Angst, dass du erwischt werden könntest?«, schob er trotzdem noch eine delikate Frage nach.
»Nein.«
»Also, ich hab jedenfalls seit der …«, er wollte ›Dopingkontrolle‹ sagen, schluckte aber geistesgegenwärtig den Begriff hinunter, »Trainingskontrolle einen Riesenbammel davor, dass die etwas in meinem Blut oder Urin finden.«
»Brauchst du aber nicht, mein Junge«, entgegnete Bolander mit dem Wissen eines langjährigen Insiders.
Florians verblüffter Gesichtsausdruck sprach Bände. »Wieso?«
»Weil die Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die du zu dir nimmst, entweder völlig legal«, er senkte die Stimme zu einem Wispern herab, »oder nicht nachweisbar sind.«
»Sicher?«
»Ganz sicher!«
»Aber wie ist das nur möglich?«
»Ich sag nur zwei Worte: moderne Biotechnologie.«
»Weißt du mehr darüber?«
Heiko Bolander reagierte mit einem vielsagenden Lächeln und hob dabei die Schultern an.
Florian akzeptierte diese Art der Antwort und wechselte das Thema: »Muss ich meine Medikamente eigentlich selbst bezahlen?«
»Natürlich musst du das, schließlich sind deine Medikamente die notwendige Voraussetzung dafür, dass du in dem erfolgreichsten Radsportteam aller Zeiten sehr viel Geld verdienen kannst. Und das wäre dir ohne diese kleinen Helfer aus den Turbofood-Forschungslabors nicht möglich.«
Florian Scheuermann krauste die Stirn. »Aber Dr. Schneider hat mir erst vor Kurzem gesagt, dass ich nichts dafür bezahlen müsste, weil unser Sponsor die Kosten übernehmen würde.«
»Ja, ja, der liebe, gute Schneider.« Bolander verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Offiziell musst du tatsächlich nichts dafür bezahlen. Turbofood handhabt es nämlich so, dass man dir nicht dein vereinbartes Gehalt, sondern ein vermindertes auszahlt. Im Kleingedruckten deines Vertrages steht das übrigens drin.«
»Wie viel wird mir denn abgezogen?«
»Für Unterkunft, Verpflegung und ärztliche Betreuungsleistungen werden 30 Prozent deines Salärs einbehalten. Damit ist selbstverständlich auch deine medikamentöse Grundversorgung abgedeckt. Ein zusätzlicher Bedarf wird von unserem Doc bei jedem Teammitglied individuell ermittelt und dann mit Joop direkt bei Lieferung abgerechnet.«
Heiko Bolander krauste die Stirn und korrigierte sich. »Das läuft ja jetzt nicht mehr über die beiden. Wobei ich denke, dass Legslow schnell für Ersatz sorgen wird. Wenn er nicht schon jemanden in petto hat. Vielleicht zieht er ja mal eine knackige Ärztin für uns an Land.«
Der Bergspezialist saugte hörbar Luft ein. »Eigentlich schade um unseren Doc. Ich bin immer sehr gut mit ihm ausgekommen. Na ja, zumindest Joops Nachfolger als Inkassobeauftragter der Teamleitung scheint bereits festzustehen. Schließlich hat mich Jenny gestern Abend rundum versorgt.« Ein süffisantes Schmunzeln huschte über sein Gesicht.
Was hat dieses Grinsen zu bedeuten?, fragte sich Florian. Hast du etwa mit ihr gepennt? Aber du bist doch verheiratet.
Bevor sein Gegenüber sich noch länger mit diesen Gedanken beschäftigen konnte, fuhr Bolander fort. »Mit ihr habe ich gestern alles direkt abgerechnet. Du etwa nicht? Sie wollte doch anschließend gleich zu dir.«
»Nee, nee«, stotterte das jüngste Teammitglied. »Ich hab nichts dafür bezahlt.«
15. Etappe
Sabrina Schauß quälte sich durch den für einen Freitagmorgen ungewöhnlich dichten Verkehr. Als sie endlich in der Beethovenstraße eintraf, gab es dort keinen Parkplatz mehr. Also stellte sie das silberne Dienstfahrzeug mit zwei
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