Leises Gift
abgesehen von dem Schaden für Ihre eigene Laufbahn. Wenn Sie sich mit diesen Bedingungen einverstanden erklären, können wir Ihre Entlassung umgehen. Es wäre vorstellbar, dass Sie mit unbeflecktem Ruf in dieser Behörde als Agentin weiterbeschäftigt werden.«
Der Direktor sank in seinen Sessel zurück, während er offensichtlich auf eine Antwort wartete. Über seinem Kopf starrte das Porträt des Präsidenten auf Alex herab, als wartete er ebenfalls auf ihre Antwort. Alex studierte Morans Schuhe, während sie über die Worte des Direktors nachdachte. Es waren schicke neue Budapester aus Korduanleder, Lichtjahre entfernt von den Rockports, die Moran bei der Arbeit vor Ort zu tragen pflegte. Das Angebot war großzügig, das stand außer Frage. Sie spürte, dass sowohl Jack Moran als auch Senator Calvert die Hände im Spiel gehabt haben mussten. Alex wollte den neuen Direktor nicht enttäuschen, der dem Anschein nach ein besonnener Mann war. Noch weniger wollte sie Moran vor den Kopf stoßen, der als Mentor unendlich viel für sie getan hatte.
Nachdem sie einige Minuten schweigend nachgedacht hatte, hob sie den Blick und sah Roberts an. »Haben Sie eine Schwester, Sir?«
»Alex«, warf Moran ein, »machen Sie es nicht …«
»Schon gut, Jack«, sagte der Direktor.
»Ich möchte nicht unverschämt erscheinen, Sir. Ich möchte lediglich, dass Sie meine Einstellung verstehen. Als meine Schwester auf dem Sterbebett lag, sagte sie mir, dass ihr Mann für ihren Tod verantwortlich sei. Er habe sie ermordet. Meine Schwester gehörte nicht zu der fantasievollen Sorte, doch ich war skeptisch. Allerdings fand ich innerhalb weniger Tage heraus, dass mein Schwager tatsächlich ein Motiv hatte, seine Frau loszuwerden – ein sehr attraktives weibliches Motiv. Sir, ich versprach meiner Schwester, dass ich alles in meiner Macht stehende tun würde, um ihren Sohn vor dem Vater zu retten. Und ich sehe nur einen Weg, wie ich das schaffen kann – ich muss den Mord an ihr aufklären. Soweit ich sehe, tut es niemand sonst.« Alex drehte die Handflächen nach oben. »Das ist der Grund für meine gegenwärtige Situation, Sir. Es war ihre letzte Bitte an mich. Verstehen Sie das?«
Der Direktor starrte sie aufmerksam an. »Ich habe eine Schwester, Agentin Morse. Und ganz ehrlich, ich kann nicht sagen, was ich tun würde, wäre ich an Ihrer Stelle.« Roberts nahm einen Briefbeschwerer von seinem Schreibtisch – einen Glaswürfel, der eine Uhr umhüllte –, und drehte ihn in den Händen. »Doch das hier ist das FBI, und das FBI kann nicht tolerieren, wie Sie sämtliche Grenzen überschritten und Ihre Pflichten verletzt haben.«
»Ich verstehe, Sir. Ich möchte keine Grenzen überschreiten. Ich bin keine Gesetzesbrecherin. Ich wünschte, Sie würden mir das FBI in den Rücken stellen. Ich habe gute Instinkte, Sir. Jack kann Ihnen das bestätigen.«
Moran nickte.
»Ich weiß, dass ich recht habe mit meinem Verdacht. Genauso, wie ich recht hatte bei der Federal Reserve Bank, was einigen Leuten immer noch schwer aufstößt, fürchte ich.«
Moran zuckte zusammen angesichts dieser verhüllten Anspielung auf Dodson.
Alex berührte ihre vernarbte Wange, als sie fortfuhr. »Ich habe einen hohen Preis bezahlt, weil ich mich an jenem Tag auf meine Instinkte verlassen habe. Einen viel höheren Preis als nur mein Gesicht. Und ob Sie mir helfen oder nicht, Sir – ich werde das Versprechen einlösen, das ich meiner Schwester auf dem Sterbebett gegeben habe. Ich hoffe, dass ich an jenem Tag immer noch Agentin des FBI sein werde, doch ob es so sein wird oder nicht – der Tag wird kommen.«
Direktor Roberts stieß einen müden Seufzer aus; dann blickte er Moran an. »Ich denke, wir können nichts mehr tun, Jack.«
Moran erhob sich und begleitete Alex nach draußen auf den Gang. Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, legte er den Arm um ihre Schultern und drückte sie fest an sich. Sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten, doch als sie spürte, wie Jack ihr über die Haare strich, löste sich ein Schluchzen aus ihrer Kehle.
»Was war der Grund?«, fragte sie. »Warum ist es aufgeflogen?«
»Das Apartment in Charlotte. Als Sie den Mietvertrag gekündigt haben, wusste Dodson, dass Sie nicht wieder zurückkehren würden. Er fing an, in Charlotte Fragen zu stellen, und das war’s.«
Sie nickte an Jacks Brust; dann lehnte sie sich zurück und sah ihm in die Augen. »Glauben Sie, dass ich verrückt bin?«
»Sie sind erschöpft.
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