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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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in der Leitung nichts zu hören.
    »Wenn wir uns auf die medizinische Seite der Dinge konzentrieren«, fuhr er fort, »und wenn wir Leute wie Peter Connolly zu Rate ziehen, haben wir früher oder später sicher genügend Beweise, um Ihre Vorgesetzten zu überzeugen, dass sie sich des Falles annehmen müssen.«
    »Nicht schnell genug«, sagte Alex bitter. »Nicht für Jamie. Ich denke, er weiß, was sein Vater getan hat. Er gesteht es sich selbst nicht ein, doch in seinem Unterbewusstsein weiß er es.«
    »Haben Sie Fortschritte bei der Beschaffung der Krankenakten der übrigen Opfer gemacht? Haben Ihnen die Angehörigen geholfen?«
    »Wann hätte ich das tun sollen?«, fragte Alex gereizt.
    »Ich verstehe. Hören Sie, versuchen Sie rauszufinden, wer die Hausärzte der Opfer waren. Vielleicht kann ich mich durch die Hintertür mit ihnen in Verbindung setzen, von Kollege zu Kollege.«
    »Das ist unethisch, oder?«
    »Nein, ist es nicht. Es ist illegal.«
    »Wie sich manche Dinge doch ändern, wenn es persönlich wird, finden Sie nicht?«
    Zorn stieg in ihm auf. »Hören Sie, wenn Sie nicht wollen …«
    »Es tut mir leid, Chris. Ich konnte nicht widerstehen. Ich war zu lange allein in dieser Sache. Sie wissen, dass ich alles tun würde, um an diese Akten zu gelangen.«
    »Okay. Ich muss wieder rein zu Ben. Tun Sie nichts Unüberlegtes morgen bei diesem Meeting.«
    Alex lachte. Es klang erstaunlich spröde durch die mobile Sprechverbindung. »Genau das sagen mir alle.«
    Chris unterbrach die Verbindung und sah hinauf zum Hügel. Jetzt schwebten dort fünf Augenpaare. Er klatschte einmal laut in die Hände, und wie durch ein einziges Bewusstsein beherrscht, richteten die Augenpaare sich aus und betrachteten ihn. Das Zirpen der Grillen erstarb, und selbst die Frösche unten am Teich verstummten. Chris stieß einen lang gezogenen, lauten Pfiff aus, der die Rehe auf dem Hügel noch mehr verblüffte. Sie starrten ihn einen langen Augenblick an; dann wandten sie sich zur Flucht und verschwanden unter den Bäumen.
    Stille.
    Während er ins Haus zurückkehrte, beherrschten die schwebenden Augen seine Gedanken wie das Nachbild einer zündenden Blitzbirne. Daneben lief mit ungefähr gleicher Intensität ein düsterer Film durch seinen Kopf: Thora, die in einem verdunkelten Hotelzimmer rittlings auf Shane Lansing saß, die Luft schwanger von der Hitze des Deltas, ihre Haut glänzend vom Schweiß, ihre Augen wild und hemmungslos …
    »Dad?«, rief Ben ihm entgegen. »Wo warst du so lange?«
    »Ich habe ein paar Rehe beobachtet.«
    »Wie viele?«
    »Fünf.«
    »Echt? Komm, wir spielen eine Runde Football.«
    Chris ging zum Kühlschrank und deponierte seine Achtunddreißiger wieder auf der Ablage. »Okay, Kumpel, aber diesmal spiele ich die Colts!«
    »Nein, ganz bestimmt nicht!«
     
    Chris lag auf der Schlafcouch in seinem Heimkino direkt neben dem großen Elternschlafzimmer und lauschte dem leisen, regelmäßigen Geräusch von Bens Atem. Ben hatte ihn gebeten, die Couch aufzuklappen, unter dem Vorwand, es wäre bequemer, so einen Film zu sehen, doch Chris wusste, dass der Junge lieber hier unten bei ihm schlafen wollte als oben in seinem Zimmer, nachdem seine Mutter verreist war. Chris nahm die Fernbedienung und schaltete den Apparat aus; dann stieg er leise aus dem Bett, um Ben nicht zu wecken.
    Thora hatte etwa zwanzig Minuten nach seiner Unterhaltung mit Alex Morse aus Greenwood angerufen. Ihr Tonfall war unbekümmert und kess, während sie über die Qualität der Anlage plapperte. Sie lachte, während sie Ben, der zu diesem Zeitpunkt den Hörer des zweiten Apparats aufgenommen hatte, die Namen der verschiedenen Behandlungen vorlas. Es war ein surreales Gefühl für Chris, der ständig an ihren stark erhöhten Progesteronspiegel von der »Pille danach« und an seine Auseinandersetzung mit Shane Lansing denken musste, während Thora alberne Namen wie Mississippi Schlammtorte, High-Cotton Wohlleben, Sweet Tea Seelentränke, Schlammiges Wasser und Bluesbad aufsagte. Er nahm an, dass sie ernst werden würde, sobald Ben aus der Leitung gegangen war, doch zu seinem Erstaunen erzählte sie ihm, dass sie unbedingt mit ihm zusammen noch einmal dorthin fahren wollte, in einem Monat vielleicht, zur Erneuerungsbehandlung für Paare. Kein Wort von Shane Lansing, nichts außer Zuckersüße und Leichtigkeit. Chris hatte nicht vor, irgendetwas anzufangen, solange Ben wach war, also passte er seinen Tonfall dem Thoras an und beendete bald die

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