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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Mercedes, und ihr blondes Haar glänzte in der Nachmittagssonne. Sie starrte direkt zu ihm. Hatte sie seine kleine Tagträumerei bemerkt?
    Sie winkte ihm zu und lächelte hinter der Sonnenbrille, einem von diesen großen Pilotendingern, die ihr das Aussehen eines Art-Deko-Falken an der Seite eines Wolkenkratzers verliehen. Sie trug Laufkleidung, und ihr schlanker, durchtrainierter Körper war für jeden zu erkennen. Vielleicht ist das der Grund, warum sie nicht ausgestiegen ist, sinnierte er. Doch das war nichts als Wunschdenken. In den vergangenen acht Monaten – seit das Marathonlaufen bei den jungen, verheirateten Frauen der Stadt Mode geworden war – hatte Thora Tag für Tag zwischen drei und fünfzehn Kilometer gelaufen. Sie hatte sich Schuhe für zweihundert Dollar gekauft, ein GPS-Gerät für das Handgelenk und all die anderen Dinge, die ein moderner Langläufer benötigte. Die Sache war die: Bei Thora hatte das nichts mit Schau zu tun. Sie besaß Talent. Nach lediglich drei Monaten Training hatte sie die Zeiten von Frauen geschlagen, die seit zwei oder drei Jahren liefen. Doch Thoras Laufgarderobe war ein weiterer Spannungspunkt zwischen ihnen.
    Als sie noch mit Red Simmons verheiratet gewesen war, hatte Thora sich stets konservativ gekleidet. Modisch, ja, doch sie hatte nie die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Nach einer angemessenen Trauerphase jedoch – ungefähr zu der Zeit, als sie angefangen hatte, sich mit Chris zu treffen – hatte sie plötzlich ihren Stil gewechselt. Zu Beginn hatte Chris dies gutgeheißen. Das neue Outfit hatte mehr von ihrer Schönheit preisgegeben und eine Verbindung zum Leben signalisiert, die sie dringend gebraucht hatte.
    Doch seit Neuestem trug sie Dinge, von denen er sich nicht im Traum hätte vorstellen können, dass sie sie kaufen, geschweige denn in der Öffentlichkeit anziehen würde. Ultrakurze Shorts, transparente Tops, dazu gedacht, mit einer Bluse oder einer Jacke darüber getragen zu werden, worauf sie jedoch verzichtete, und Stütz-BHs – wenn sie überhaupt einen Büstenhalter trug. Chris hatte deswegen Witze gemacht in der Hoffnung, dass sie merkte, worauf er hinauswollte, doch Thora hatte das Zeug unverändert getragen, und so war er schließlich verstummt, nicht zuletzt weil er meinte, nicht das Recht zu haben, ihr vorzuschreiben, wie sie sich anzuziehen hatte. Vielleicht wurde er alt und verlor den Bezug zur Realität. Bis zum heutigen Tag war ihm das als nicht sonderlich tragisch erschienen. Nichts war ihm tragisch erschienen. Lediglich das Problem, dass Thora einfach nicht schwanger wurde, war schwerwiegend genug gewesen, um ihm den Schlaf zu rauben.
    »Coach Grant!«, rief er seinem Assistenten zu, einem weiteren Vater aus dem Team. »Ich schlage vor, wir machen Schluss für heute.«
    Die Jungen jubelten, und ihre Eltern erhoben sich nach und nach von den Decken und Stühlen und packten die Eisboxen, während die Jungen die Ausrüstung zusammenpackten.
    Ben hielt sich neben Chris, als sie zum Mercedes gingen. Chris versuchte, seinen Verstand zu klären, doch es gelang ihm nicht. Zu viele Dinge drängten sich nach einer Weile der unbewussten Unterdrückung schlagartig an die Oberfläche. Beispielsweise der Mercedes. Letzte Weihnachten hatte Thora sich einen SL55 AMG geschenkt. Kaum jemand in der Stadt wusste, wie teuer dieses Auto in Wirklichkeit war. Mehrere einheimische Ärzte fuhren Benz, doch die meisten waren nicht teurer als fünfzig-bis achtzigtausend Dollar. Thoras SL55 hatte hundertfünfundvierzigtausend gekostet. Es war nicht so, dass Chris ihr den Wagen nicht gönnte – es war schließlich ihr Geld, das sie dafür ausgegeben hatte –, doch während ihrer Ehe mit Red Simmons hatte sie einen Toyota Avalon gefahren, vierzig Riesen inklusive Vollausstattung. Und sie hatte eine Timex-Uhr getragen. Chris hatte manchmal Witze deswegen gemacht, wenn sie Schwesterndienst gehabt hatte. Doch vor ungefähr einem Monat war eine Patek Philippe an ihrem Handgelenk aufgetaucht. Er hatte keine Ahnung, wie teuer die Uhr gewesen war, doch nach den Juwelen auf der Fassung zu urteilen, sicherlich jenseits der zwanzigtausend – mehr, als einige der Väter, die bei diesem Training zusahen, im ganzen Jahr verdienten.
    »Big Ben!«, rief Thora und kam mit einem Grinsen hinter der Tür ihres SL55 hervor, um ihren verschwitzten Sohn zu umarmen. »Du hast die ganze Zeit keinen Ball verfehlt!«
    Ben zuckte die Schultern. »Ich spiele Baseman. Man kann nicht

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