Leises Gift
für den heimlichen Kontakt zwischen den beiden sein? Wenn Lansing sein eigenes chirurgisches Zentrum gründete, war es durchaus richtig, wenn er ein Geheimnis daraus machte. Die beiden Krankenhäuser von Natchez würden alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um ihn aufzuhalten.
Nach ein paar Augenblicken des Schweigens sagte Chris unvermittelt: »Ich muss auf die Toilette«, und stieg die Treppe hinunter.
Als er Lansing passierte, blieb er stehen und schüttelte dem Chirurgen die Hand, während er gegen den kindischen Impuls ankämpfte, sie zu zerquetschen.
»Hab gehört, Ihre Jungs haben heute Abend verloren«, sagte Lansing.
Chris schluckte eine überraschende Menge Galle herunter und nickte. »Was ist mit Ihren?«
Der Chirurg lachte. »Mit vier Söhnen gewinnt und verliert man jeden Abend das eine oder andere Spiel.«
»Thora hat erzählt, Sie wären heute in unserem neuen Haus gewesen?«
Die Bemerkung schien Lansing zu überraschen, doch er erholte sich schnell. »Ja. Das Haus nimmt wirklich Gestalt an. Kaum zu glauben, dass Thora das alles selbst entworfen hat.«
»Nicht, wenn man sie kennt. Sie kann mehr oder weniger alles, wenn sie sich erst mal etwas in den Kopf gesetzt hat.«
Lansing kicherte erneut. »Ja. Ich habe gehört, sie soll früher Ärzte gegen sich aufgebracht haben, indem sie ihnen erzählt hat, wie sie ihre Arbeit tun müssten.«
»Wo haben Sie das gehört?«, fragte Chris.
Lansing zuckte die Schultern. »Irgendwo. Sie wissen, wie es im Krankenhaus ist.«
Chris zwang sich zu einem Lächeln. »Viel Golf gespielt in letzter Zeit?«
»Wann immer ich kann.«
»Vielleicht spiele ich auch diese Woche. Sind Sie in der Stadt?«
Lansings Blick bohrte sich in seinen. »Ja, sicher.«
»Die ganze Woche?«
»Ja. Wollen Sie ein paar Runden mit mir spielen?«
Chris nickte. »Ich rufe Sie an.«
Lansing grinste; dann drehte er sich zum Spielfeld um.
Chris ging weiter zu den Toiletten. In seinen Ohren summte es, als litte er unter Tinnitus. Auf halbem Weg blickte er wie beiläufig zurück zu Thora. Sie starrte aufmerksam zu Lansing, aber der verfolgte das Spiel. Nach einigen Sekunden blickte Thora in Richtung der Toiletten und entdeckte Chris, der sie beobachtete. Er sah sie lange genug an, um sie wissen zu lassen, dass er mitbekommen hatte, wie sie Lansing angestarrt hatte; dann wandte er sich ab und ging weiter.
Er stand vor dem viel zu kleinen Urinal, als eine weibliche Stimme zischte: »Chris! Können Sie mich hören?«
Beinahe hätte er sich auf die Jeans gepinkelt, als er nach links wirbelte, um nach dem Ursprung der Stimme zu suchen. Als sie erneut sprach, wurde ihm klar, dass die Wand aus Schlackenbetonstein, welche die Herren-von der Damentoilette trennte, fünfzehn Zentimeter unterhalb der Decke endete. Die Stimme kam aus der Lücke.
»Agentin Morse?«
»Wer sonst?«, flüsterte sie. »Was haben Sie heute Nachmittag gemacht? Sie haben Thora doch wohl nicht das Bild gezeigt?«
»Nein.«
»Haben Sie sie wegen Lansing zur Rede gestellt?«
»Nicht direkt.«
»Was haben Sie gesagt?«
»Zerbrechen Sie sich deswegen nicht den Kopf. Es ist nicht das, was Sie denken.«
»Meine Güte, Chris! Wollen Sie mich auf den Arm nehmen oder was?«
»Lassen Sie mich in Ruhe, verdammt!«
»Ich wünschte, das könnte ich. Aber so einfach ist das nicht.«
»Ich gehe wieder zurück an meinen Platz.«
»Rufen Sie mich morgen früh an«, sagte Alex. »Sobald Thora die Stadt verlassen hat.«
Chris betätigte die Spülung.
»Werden Sie mich anrufen?«, fragte Alex, während er sich die Hände wusch.
»Wer zum Teufel redet da?«, brummte eine tiefe männliche Stimme mit Südstaatenakzent.
Ein Mann mit einem Overall voller Fettflecken war hinter Chris auf die Toilette gekommen. Chris roch Alkohol, was im Park verboten war und nichtsdestotrotz zu den Spielen der Baseball-Jugendliga zu gehören schien.
»Irgendeine Tussi auf der Damentoilette«, sagte Chris. »Ich schätze, sie ist auf der Suche nach ein wenig Unterhaltung.«
Der Mann im Overall versuchte auf ein Waschbecken zu steigen, um durch den Spalt zwischen Wand und Decke zu starren, als Chris die Toilette verließ.
Es war bereits sehr spät, als Alex sich bei MSN einloggte. Entmutigt von Dr. Shepards Antwort auf dem Baseball-Spielfeld war sie bei einem Schnapsladen vorbeigefahren und hatte sich eine Zwölf-Dollar-Flasche Spätburgunder gekauft. Bevor sie damit ihr Motel erreicht hatte, hatte eine der Pflegerinnen ihrer Mutter
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