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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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- abgesehen davon, daß sie dort auch nicht nötig gewesen wären. Diese Feststellung verblüffte ihn selbst, denn trotz etwas Muskelkater hatte er nicht das Gefühl, überfordert worden zu sein. Zugleich machte er sich auch Sorgen: Wie würde der Körper in der Phase der Reproduktion darauf reagieren? Bestand nicht auch die Gefahr der tatsächlichen Überforderung, die nur von dem auf irdische Maße geeichten Körper nicht erkannt und nicht durch Schmerz oder andere Anzeichen zu Bewußtsein gebracht wurde?
    So zufrieden er auch über den Zuwachs an Energie war - all diese Überlegungen zwangen ihn zu noch größerer Vorsicht. Und er mußte diese Vorsicht allein durchsetzen. Sprach er diese Besorgnisse aus und die Praxis zeitigte dann keinerlei Schwierigkeiten körperlicher Art, dann verwandelte sich das in ein Argument gegen ihn, und dann würde nichts mehr den Tatendrang der anderen bremsen. Vielleicht sollte er sagen, er habe das sichere Gefühl, man müsse jetzt kurztreten? Er lächelte etwas bitter, er wußte genau: Gemma oder Mira wurde es abgenommen, wenn sie »so ein Gefühl« hatten - ihm nicht. Nein, ihm gewiß nicht. Warum das so war, wußte er nicht, aber daß es so war, dessen war er ganz sicher.
    Und alle, alle strebten sie nach weiteren Arbeiten, nach Erweiterung der Beobachtungen, der Kenntnisse, des Einflusses. Schon nahm Rigel ein neues Projekt in Angriff. Toliman wußte noch nicht, worum es sich handelte, sah aber sichere Anzeichen dafür in seinem Gehabe. Gemma redete immer wieder davon, daß sie etwas untersuchen müsse, sie wisse zwar noch nicht, was, aber sie würde es schon finden, wenn sie nur richtig suchen dürfte, und es sei bestimmt wichtig für Schiff, Besatzung und Aufgabe. Auch bei Mira konnte Toliman in dieser Sache nicht auf Unterstützung hoffen. Er wußte das, wenn er es auch nicht ganz verstand - vielleicht, weil sie Kosmogonin war, geistig an die Unendlichkeiten des Weltraums gewöhnt und deshalb durch die Beschränkung des Aktionsradius mehr als andere eingeengt? Aber er verstand sie ja auch sonst oft nicht ganz. Sie verstanden sich nicht ganz, und noch genauer: immer weniger. Selten waren die Minuten geworden, da eine Geste oder ein Wort plötzlich Zärtlichkeit von einem zum andern trug, und allzu oft zerstörte schon die nächste Geste, das nächste Wort wieder, was eben erst aufklingen wollte.
    Aber er durfte sich davon nicht ablenken lassen. Was da vor sich ging, verstand er nicht und konnte er nicht beeinflussen. Aber was er verstand und beeinflussen konnte, war die Meinungsbildung des Kollektivs. Er durfte nicht warten, bis sie mit ihren Ausweitungstendenzen alle auf einmal auf ihn zukamen und ihn niederstimmten. Gegen einen oder zwei würde er sich immer durchsetzen können, wenn nicht mit Argumenten, dann mit Hilfe seiner Autorität, das traute er sich schon zu. Also mußte er selbst Zeitpunkt und Gegenstand der nächsten Auseinandersetzung bestimmen. Wer war am leichtesten zu beeinflussen und - nun ja, gegebenenfalls - zu besiegen? Das war sicherlich Rigel.
    Toliman hatte all diese Überlegungen bei abendlichen Pflegearbeiten angestellt. Bald würden sie wieder ernten können, ein oder zwei Tage noch, die Anstrengungen waren schon geringer geworden, denen sie sich unterwerfen mußten, und hin und wieder hatte jeder auch eine Mußestunde. Toliman beendete seine Arbeit und ging zu Rigel hinüber, der am Bach saß und an irgendeinem kleinen Gegenstand fummelte. Toliman trat näher. Rigel schnitzte mit einem Messer an einem Stück Holz herum, das innen hohl war, so etwa wie Rohr oder Bambus. Toliman setzte sich daneben und sah zu. Ihm schien, als sei der Gefährte älter und ernster geworden. Bisher hatte er auf solche physiognomischen Eindrücke nicht viel gegeben, schon gar nicht hier, wo die Gesichter je nach dem Stand der beiden Sonnen zu jeder Tageszeit anders aussahen. Jetzt aber schien es ihm doch, als seien darin Züge eines stärkeren Selbstbewußtseins erkennbar - nun, dazu hatte Rigel wohl nach dem Dammbau auch allen Grund. Was er da wohl wieder basteln mochte?
    »Etwas für dein nächstes Projekt?« fragte Toliman mit einem Kopfnicken und deutete auf das Holz.
    »Nein«, sagte Rigel, setzte das Stück Holz an die Lippen und blies hinein. Ein dunkler Ton entstand, etwas gequetscht noch, aber Rigel nickte zufrieden und schnitzte weiter.
    »Es überlegt sich so gut dabei«, setzte er hinzu, als müsse er sich entschuldigen.
    »Und was überlegst du?«
    »Ich

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